Ob Tagebuch, Roman oder Notiz auf dem Handy – Schreiben kann helfen, Ordnung in das zu bringen, was innerlich chaotisch wirkt. In therapeutischen Kontexten wird das Schreiben gezielt eingesetzt, etwa bei der Bewältigung von Traumata oder Lebenskrisen. Auch in der Literatur zeigt sich, wie eng persönliche Brüche und das Erzählen miteinander verknüpft sind.
In den Romanen der Schweizer Bestsellerautorin Sabine Dobelli, die unter dem Pseudonym Clara Maria Bagus publiziert, stehen Figuren im Zentrum, die Verluste erleben, mit Krankheit konfrontiert sind oder plötzlich den Boden unter den Füssen verlieren. Ihre Geschichten beginnen oft mit dem Bruch – und enden mit einer Öffnung.
Clara Maria Bagus’ Schreiben ist eng mit ihrem eigenen Leben verwoben. Sie hatte eine schwierige Kindheit, einen schweren Autounfall mit 17, von dem sie sich lange erholen musste und ihr Sohn war an Krebs erkrankt. Diese Erfahrungen hätten sie nicht gebrochen, sagt sie – aber sie hätten Spuren hinterlassen. Spuren, die sich in ihren Romanfiguren wiederfinden.
Schreiben schafft Perspektive
Was literarisches Schreiben leisten kann, ist nicht gleichzusetzen mit Schreiben im therapeutischen Rahmen – und doch gibt es Parallelen. Clara Maria Bagus fühlt sich beim Schreiben in ihre Figuren ein, leidet intensiv mit – ihre eigenen Erfahrungen klingen dabei stets mit.
Ich schreibe Bücher, aus denen man besser herausgeht, als man hineingegangen ist.
Auch wenn sie betont, dass das Schreiben für sie keine Therapie sei, zeigt sich darin, wie eng literarisches Arbeiten und Verarbeitung verbunden sein können. Denn für sie bedeutet Schreiben, das Erlebte in etwas Sinnhaftes zu verwandeln.
«Ich schreibe Bücher, aus denen man besser herausgeht, als man hineingegangen ist», sagt sie. Nicht, weil sie einfache Antworten liefern wolle, sondern, weil sie Räume eröffnen möchte für das, was oft unaussprechlich bleibt.
Wenn Bagus heute ihre Figuren erschafft, spürt sie oft, wie diese Erlebnisse zurückkehren. Dann steht sie plötzlich wieder im Spitalzimmer ihres Sohnes, erinnert sich an das Ringen um Hoffnung, an die Angst, ihn zu verlieren. «Ich tauche ein in das, was sie erleben. Und manchmal halte ich es kaum aus.» Hätte ihr Sohn die Krankheit nicht überlebt, sagt sie, wäre sie daran zerbrochen.
Doch sie bleibt beim Schreiben. Denn gerade in der literarischen Verdichtung liegt für sie eine Möglichkeit, dem Schmerz eine Form zu geben – und dem Chaos einen Sinn.
Ich tauche ein in das, was die Romanfiguren erleben. Und manchmal halte ich es kaum aus.
Auch ihr Alltag ist vom Schreiben geprägt – im doppelten Sinn: Clara Maria Bagus lebt mit dem Sachbuchautor Rolf Dobelli zusammen. Im Gespräch erzählt sie erstmals offen davon, wie unterschiedlich ihre Arbeitsweisen sind – und wie viel Reibung das mit sich bringt. Kritik gehört dazu, manchmal auch Streit.
Doch in den Grundhaltungen, sagt sie, begegnen sie sich: Beide suchend, beide reflektierend. Zwei Schreibende mit unterschiedlichen Stimmen – aber einem ähnlichen Blick auf das Wesentliche.
Erzählen statt lösen
Am Ende steht nicht die Lösung, sondern das Aushalten. Und das Erzählen. «Ich glaube, Wunden heilen nicht. Sie schrumpfen auf eine Grösse, mit der man leben kann», sagt Bagus. Vielleicht ist das Schreiben genau dafür gemacht.