Wir befinden uns im Jahr 1959 nach Christus. Der Zeichner Albert Uderzo und der Texter René Goscinny veröffentlichen den ersten Band ihrer neuen Comic-Reihe, benannt nach der einen Hauptfigur, dem gallischen Krieger Asterix, der mit seiner Dorfgemeinschaft dem römischen Reich widersteht. Die neue Reihe schlägt ein: Bis heute wurden von den bisherigen 34 Alben sagenhafte 352 Millionen Exemplare in unzähligen Sprachen verkauft.
Ein Comic für alle mit grossem Erfolg
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Es ist kein Wunder, dass der Comic solche Erfolge feierte: Uderzo und Goscinny gelang Virtuoses. Eine Bildgeschichte, die einerseits Erwachsene mit spitzem Wortwitz, mit zig Anspielungen auf Zeitgeist und -geschichte zu unterhalten wusste – vom Experimentaltheater über das Bankgeheimnis bis zu den Gewerkschaften. Ein Comic, das andererseits die jüngere Leserschaft mit genügend Keilereien, Wildsaujagden, schlechten Sängern und doofen römischen Soldaten zum lauten Lachen brachte.
Das ging über eine lange Zeit gut – bis der genialische Texter René Goscinny 1977 viel zu früh starb. Uderzo machte alleine weiter. Was dabei herauskam, konnte spätestens ab dem 25. Band bei weitem nicht mehr befriedigen.
Neuer Zeichner, neuer Texter
Albert Uderzo ist nun 86 und hat den Stab übergeben. Der neue, 35. Band ist der erste, der vom Texter Jean-Yves Ferri und vom Zeichner Didier Conrad verantwortet wird. Das Resultat wurde mit Spannung erwartet.
Mit «Asterix bei den Pikten» versucht das neue Autorenpaar, den Anschluss an frühere Glanzzeiten zu finden. Das gelingt nicht – und fast wäre man versucht zu sagen: Natürlich nicht, die Vorlagen waren zu perfekt. Dennoch ist dieser Besuch von Asterix und Obelix bei den Schotten bei weitem vergnüglicher als es die letzten paar Bände waren.
Conrads Zeichnungen sind mit denen von Uderzo fast deckungsgleich, Ferri setzt mit seinem Szenario bei einem beliebten Schema des frühen Asterix an: Beim Besuch in einem fremden Land erleben die beiden gallischen Prototypen allerlei bunte lokale Gepflogenheiten (Whiskytrinken und Baumstämme werfen, was vor allem Obelix gefällt) und nationale Mythen (Nessie, das Monster aus dem Loch).
Wenige gute Gags, viele Kalauer
Ein paar der Gags sitzen, zum Beispiel: Die Pikten dekorieren Steine häufig mit seltsamen Zeichen; diese heissen Piktogramme. Und natürlich leben sie in Clans – in Patchwork-Clans. Leider ist das Gefälle zwischen den Witzen gross: Es wird zum Teil so grob gekalauert, wie es René Goscinny früher nie zugelassen hätte.
Und das ist das Problem aller Asterix-Bände nach seinem Ableben: Jedem seiner Nachfolger als Szenarist fehlt das Auge für den Zeitgeist, für die Verankerung in der Realität. Wo früher der französische Wahlkampf persifliert wurde, wo römische Orgien (organisiert von einem Herrn Fellinius) Filmszenen Fellinis nachempfanden, finden sich heute wenige Anspielungen.
Eine kleine Seitenbemerkung zum Asylrecht – und dann folgt man den sympathischen, kleinbürgerlichen Galliern durch Abenteuer, die Kindern bestimmt besser gefallen als den Erwachsenen. «Asterix bei den Pikten» ist kein Comeback, aber stellenweise immerhin ein Schritt dahin.