Seit bekannt ist, dass Stuttgarter Verlag Thienemann den Kinderbuchklassiker «Die kleine Hexe» des noch lebenden Autors Ottfried Preussler nach rassistischen Begriffen durchforsten und mindestens Wörter wie «Negerlein» und «durchgewichst» (gemeint ist: «verhauen») ersetzen möchte, herrscht Aufregung: Warum müssen Kinder vor veralteten, diskriminierenden Begriffen geschützt werden? Droht uns demnächst eine Säuberung von Jim Knopf, Pippi Langstrumpf und anderen geliebten Kinderbuchklassikern?
Die KritikerInnen im Literaturclub sind sich ausnahmsweise einig. Elke Heidenreich hat damals in ihrer Zeit als Radiofrau aus Protest gegen das Diktat der weiblichen Form eine Woche «Willkommen an den Radiogerätinnen und -geräten» moderiert - keiner hats gemerkt. Der Rassismus, sagt sie, liege im Denken, nicht in den Wörtern.
Stefan Zweifel ist aus eigener Erfahrung überzeugt, dass Kinder in Geschichten das Unheimliche, das Brutale, das Grauenhafte suchen. Es sei eine Selbstüberhebung der Gegenwart, dass wir unsere Massstäbe in diese Texte einbrennen. Mit einem solchen Reinheitsgebot für Kinderbücher entmündige man die Kinder und die Literatur.