Der französische Regisseur François Truffaut hat mit Alfred Hitchcock ein Interview von rund 50 Stunden geführt. 1962 haben sich die beiden chronologisch über Hitchcocks rund 50 Filme unterhalten. Truffaut hat daraus ein Buch in Gesprächsform geschrieben.
Reine Zweckmässigkeit: Hitchcocks legendäre Auftritte
Entstanden ist ein äusserst unterhaltsames, amüsantes, lehrreiches und spannendes Buch. Der Leser, die Leserin erfährt zum Beispiel, weshalb Hitchcock immer kurz in seinen Filmen auftritt: «Reine Zweckmässigkeit. Um das Bild zu füllen. Später wurde es dann zum Aberglauben, und dann zum Gag. Inzwischen ist es ein ziemlich lästiger Gag geworden. Damit die Leute sich den Film in Ruhe ansehen können, bringe ich es möglichst immer in den ersten fünf Minuten des Films hinter mich.»
Das Buch «Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?» zeigt den grossen Regisseur von den verschiedensten Seiten. Als unerreichten Könner ebenso wie als witzigen Gesprächspartner. Hitchcock erzählt humorvoll, ironisch, klug von seinem Werdegang, seinen Ansprüchen, den Entstehungsgeschichten seiner Filme - von der oft mühseligen, oft trickreichen, aber immer liebevollen Machart.
Hitchcock sagt im Interview unter anderem, was ihm sein berühmtester Film «Psycho» bedeutet, mit welchen Kameraeinstellungen man Angst filmt – und, dass er sich oft einem Thema gewidmet hat: ein Unschuldiger wird in ein Abenteuer verwickelt. Man denke zum Beispiel an «North by Northwest», 1959 («Der unsichtbare Dritte») mit Cary Grant.
Wohlwollend, nicht kritisch
Nicht zur Sprache kommen bei Truffaut Hitchcocks Ängste, Phobien und Obsessionen, wie sie dann später vom bekannten Biographen Donald Spoto thematisiert wurden. Hitchcock engagierte zum Beispiel mit Vorliebe schöne, blonde Schauspielerinnen - Grace Kelly, Kim Novak, Tippi Hedren. Und gerade letztere, die Hauptdarstellerin im Film «Die Vögel», erzählte später, wie Hitchcock sie sexuell belästigt habe.
Solche Themen bleiben aussen vor – Truffaut ist seinem Gesprächspartner gegenüber nicht kritisch, sondern sehr wohlwollend. Nichtsdestotrotz lässt sich auch der Film-Laie anstecken von der Begeisterung des engagierten Machers Hitchcock. Er spricht über seine Kunst ohne Pathos und Einbildung, aber mit viel Herzblut. Und er lässt dabei auch Selbstkritik zu, thematisiert Hindernisse bei der Umsetzung seiner Ideen.
«Es sind doch nur Filme!»
Nach der Lektüre von «Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?» schaut man sich Hitchcocks Filme mit ganz anderen Augen an. Aufmerksamer, kritischer, mit mehr Genuss. Dies hat ein Kritiker schon vor Jahrzehnten festgestellt. Und man glaubt, auch die Ikone Hitchcock besser zu verstehen. Diesen faszinierenden Mann, der einmal über sein Werk gesagt hat: «Es sind doch nur Filme!»