Als Autor ist Beat Sterchi ein Allrounder. Er schreibt Hochdeutsch oder Mundart. Kurzgeschichten, Gedichte, Theaterstücke und Hörspiele. Ein literarischer Tausendsassa, dem der Schalk und der Ernst gleich viel gelten. Obwohl: Selbst für seine «Mantras», seine repetitiven Bühnentexte aus Alltagsphrasen, reklamiert er eine politische Dimension und einen realen Boden. Reine literarische Erfindungen sind ihm suspekt: «Bei allem, was heute ständig passiert, ist es mir unverständlich, wie jemand einen Mord erfinden kann.»
Der Roman «Blösch»
Begonnen hat seine literarische Karriere 1983 mit einem Paukenschlag in Form des Romans «Blösch» – noch heute ein Meilenstein der jüngeren Schweizer Literatur, der mit dem Schweizerischen Schiller-Preis geadelt wurde. Der gelernte Metzger Sterchi schildert darin in drastischen Bildern den Alltag eines modernen Schlachthofs. Dort, im Schlachthof, lässt er den Gastarbeiter Ambrosio auf die stolze Leitkuh «Blösch» treffen, die er von seiner früheren Arbeit auf einem kleinen Bauernhof kennt – und die er nun schlachten muss. Der Roman ist auch heute, 33 Jahre später, eine schwer erträgliche Kritik an der Industrialisierung der Arbeitswelt, an der Ausbeutung von Mensch und Tier.
Zuhause in Kanada, Honduras, Spanien und Bern
«Blösch» ist bis heute Sterchis einziger Roman. Ein zweiter folge vielleicht nächstens. Er hoffe es jedenfalls. Seit den 80er Jahren habe er keine Zeit mehr gehabt für die lange literarische Form. Musste eine Familie ernähren. Als 21Jähriger war er 1970 nach Kanada emigriert, hatte Englisch gelernt, Englisch unterrichtet, Englisch studiert. Zwischen 1975 und 1977 unterrichtete er die Sprache in Honduras. Danach lehrte er am Goethe-Institut in Montréal Deutsch. Zehn Jahre lang, von 1984 bis 1994, lebte er in einem Dorf bei Valencia in Spanien als Journalist und freier Schriftsteller. Dorthin zieht er sich noch heute zurück, wenn er in Ruhe arbeiten will. Er gehöre trotzdem nicht zum Jet Set, der überall auf der Welt zuhause ist – er habe einfach mehrere Zuhause auf der Welt.
«U no einisch nach Bali»
Seit einigen Jahren ist er zurück in Bern. Auf der Bühne fällt Sterchi auf durch seine kompromisslosen Texte. Er lässt Fetzen der Alltagssprache sich in Endlosschlaufen wiederholen. «Sprachmüll» nennen das Kritiker gerne – teils bewundernd, teils abfällig. Live auf der Bühne, begleitet von einem Musikinstrument, lösen sich diese Sprachfragmente aus ihrer Bedeutung heraus und entwickeln im besten Fall einen meditativen Sog, sagt Sterchi. Er spüre, wie viel es in der gegebenen Situation verträgt, manchmal können das drei Minuten sein. Drei Minuten lang «u no einisch nach Bali, u no einisch nach New York, u no einisch nach Thailand, u no einisch nach Schanghai, u no einisch nach Mallorca...». Das ist nicht neu, aber immer noch radikal. Das muss man erst mal aushalten.
«Hallo ig bis, d Nadia»
Für ihn sind die Bühnentexte Spielereien. Manchmal auch Selbsttherapie. Etwa, wenn er im Zug einem hochnotpeinlichen, persönlichen Telefongespräch zuhören muss. Dann schreibe er einfach mit: «Hallo hallo! Ig bis, d Nadia. Bisch du no da? Ig bi im Zug, ja ja! Im Zug, ja ja, Nadia.» Sterchi ist kein Pädagoge und kein Anprangerer. Aber seine Bühnentexte sind ein Zerrspiegel, in dem wir das Nervige, Unliebsame, Störende um uns herum hervortreten sehen.