SRF Kultur: Der Ghostwriter von Bundesrat Alain Berset sind Sie zwar nicht, wie wir das behauptet haben. Aber als oft zitierter «Volksschriftsteller» wären Sie ja prädestiniert, um Reden für Politiker zu schreiben. Wäre das nichts für Sie?
Pedro Lenz: An politischen Fragen bin ich zwar interessiert – aber ich wäre nicht der Richtige dafür. Bundesräte haben ja meist ganz genaue Vorstellungen davon, was sie sagen wollen. Der Ghostwriter soll dann einfach noch möglichst schön formulieren. Wenn man allerdings seine eigenen politischen Ideen in die Reden hineinschmuggeln könnte… Ja, dann wäre der Job wieder reizvoll!
Waren Sie denn schon als Ghostwriter tätig?
Einmal schrieb ich für einen Regierungsrat eine Rede, die er vor den Zünften halten musste. Etwas Launiges sollte es sein. Er sagte mir, was er inhaltlich erzählen wollte – und ich habe es nachher für ihn formuliert.
Und, war er zufrieden?
Er hat meine Arbeit jedenfalls gerühmt – und auch korrekt entschädigt…
Was macht denn einen guten Ghostwriter aus?
Der ganz gute Ghostwriter wäre wohl jener, den man nicht erkennt. Wenn die Leute etwa denken: «Das war jetzt wieder eine typische Willi-Ritschard-Rede.» Wenn es der Ghostwriter also schafft, dass eine Person möglichst authentisch wirkt.
Das Gefühl hat man auch bei Bundesrat Alain Berset. Für seine Rede an der Leipziger Buchmesse etwa bekam er viel Anerkennung. Meinen Sie, er hat die Rede selbst geschrieben?
Schwer zu sagen. Ich habe ihn in Leipzig gehört – die Rede war wirklich schwer zu toppen, er hat offenbar gute Leute im Hintergrund. Oder ihm wurde die Rede gut übersetzt. Das Wort «übersetzen», «traduire» auf Französisch, ist ja nahe am Wort «trahir» – «verraten» oder «Gedanken anders wiedergeben». Was ich meine: Auch der Übersetzer hat einen gewissen inhaltlichen Spielraum. Ich hätte jedenfalls nicht besser formulieren können, was Berset da gesagt hat.
Welche Politiker hätten denn einen Ghostwriter nötig?
Ich will jetzt keine Namen nennen, sonst kriege ich wieder böse Briefe… Aber es gibt schon ein paar. Mir fällt auf, dass Politiker oft schlechte Bilder brauchen. Metaphern etwa, die nicht aufgehen. Dort könnte ich sicher Beratungsarbeit leisten (lacht).
Gäbe es jemanden, für den Sie gerne schreiben würden?
Es müsste schon einer sein, der etwas mit Kultur am Hut hat. Ich könnte schlecht für den Verteidigungsminister schreiben, das käme nicht gut – unsere politischen Ansichten wären zu unterschiedlich.
Und doch muss man sich als Ghostwriter unterordnen...
Sicher – da sind auch wir Autoren käuflich. Nur weil wir Künstler sind, heisst dies nicht, dass wir nicht käuflich wären. Das wäre eine zu idealisierte Vorstellung. Wenn ein Autor zum Beispiel eine Kolumne schreiben kann für irgendein Firmen-Magazin, sagt kaum einer: Das mache ich nicht. Sicher gibt es bei mir Themen, über die ich aus Prinzip nicht schreiben würde. Bei anderen Themen käme es auf die Preislage an.
Schreiben für Geld – wird in der Schweizer Schriftsteller-Szene überhaupt darüber gesprochen? Oder wird über Ghostwriting diskret geschwiegen?
Es wird sicher nicht gross publik gemacht. Ein Beispiel: Balts Nill von Stiller Haas schrieb ja Reden für Bundesrat Moritz Leuenberger, als er Bundespräsident war. Aber wenn man Balts fragt «Du, was hast du denn genau geschrieben», dann spricht er nicht gerne darüber. Da gibt er sich sehr diskret.
Peter Bichsel, der seinerzeit Reden für Alt-Bundesrat Willi Ritschard geschrieben hat, sagte mir einmal: Er habe dem Ritschard gar keine Reden geschrieben. Er sei jeweils mit ihm spazieren gegangen und habe ihm ein paar Impulse gegeben. Das stimmt so wahrscheinlich auch nicht ganz.
Es scheint also ganz, dass die Ghostwriter-Arbeit vielen Schriftstellern nicht recht ist. Dabei ist Ghostwriting eine ehrenwerte Büez.