Eine Feriensiedlung am Strand. Irgendwo am Mittelmeer. Video-Kameras überwachen die Anlage. Im Pool ist kein Wasser, Gras überwuchert den Golfplatz, nur ein paar einzelne Männer scheinen hier noch zu wohnen. Lennard Salm ist einer von ihnen.
Salm ist Künstler. Er sammelt, was das Meer an den Strand spült, fotografiert es und macht teure Installationen daraus, in seinem Atelier in New York. Auch als ein Boot mit einer Kinderleiche anlandet, sieht Salm kreative Möglichkeiten. Die Ausstellung ist im Kopf schon konzipiert, als die Szene abrupt endet. Die Nachricht kommt aus Hamburg: Salms Schwester Helene ist tot.
Was sein, wenn kein Künstler?
Jetzt beginnt eine andere Geschichte. Ein langsamer Ausstieg, ein Weg zurück in eine Vergangenheit, die Salm vor Jahren verlassen hatte. Das Begräbnis der Schwester führt sie zusammen: den Bruder, der seine leise Spiessigkeit in gut sortierte Bahnen lenkt, die Schwester Bille, der Paradiesvogel, eigenwillig, aber erfolglos am Theater und der altgewordene Vater, der nach der Trennung von seiner Frau mit seiner polnischen Pflegerin Bascha unter dem Dach eines verkommenen Hauses lebt. Die «norwegische Königin» nennt Salm seine kühle, abweisende Mutter, die seit langem in Florida lebt.
Keine besonderen Leute, keine besonderen Vorkommnisse und doch entwickelt diese Familie einen Sog. In langen Gesprächen klären sich die Grundmuster. Rückblenden über drei Generationen, Geschichten von Unglück, Untreue und Tyrannei. Erst lebt Salm in einem billigen Hotel, dann zieht er beim Vater ein und stellt sich seiner Vergangenheit. Einen Winter lang. Da ist er schon kein Künstler mehr. Keiner, der sich und den Kunstzirkus weiter mit zynischen Artfakten unterhalten will. Aber was soll er dann tun? Ja, was?
Bemüht um Nähe zu den aktuellen gesellschaftlichen Problemen
Nicht direkt ausgesprochen, aber in der Anlage des Romans überdeutlich: Empathie ist das Schlüsselwort. Teilhabe am Leben der Anderen, gleich wie es sich anfühlt. Teilhabe auch am sozialen Elend im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg, in dem das Elternhaus steht.
Ein greifbares Engagement kommt dabei nicht heraus, wohl aber eine verhalten depressive Grundstimmung, die Salm bis zum Schluss nicht verlässt und die das ganze Buch bestimmt. Etwas forciert wirkt das, erkennbar bemüht um Nähe zu den aktuellen gesellschaftlichen Problemlagen. Hamburg kann sehr kalt sein. Man kann es vermuten, hier wird es bestätigt.
Rolf Lappert hat über die Bilder gesprochen, die den Roman bewegen. Es sind Szenen aus den Abendnachrichten, von angeschwemmten Flüchtlingsboten, Kleidern, Gepäck. Das Elend der Flüchtlinge steht am Anfang dieses Romans. Vor vier Jahren hat Lappert mit der Arbeit begonnen. Seither hat sich wenig verändert.