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Literatur «Samarkand, Samarkand»: Europa retten im fernen Hochgebirge

Chaos im Jahre 2026: der dritte Weltkrieg ist ausgebrochen. Ein Mann hat einen historischen Auftrag und riskiert sein Leben im zentralasiatischen Hochgebirge. Der renommierte deutsche Autor Matthias Politycki bietet in seinem Roman einmal mehr Spannung, Spiel und Reflexion.

Die panslawische Allianz kämpft gegen Islamisten. Deutschland ist mit der Türkei verbündet, der Bundeskanzler heisst Mehmet Yalcin. Lokale Aufstände, selbsternannte Milizen, Gewalt und Durcheinander herrschen. Autonome Schutzgebiete, sogenannte «Freie Feste», versuchen, sich als Inseln der Ordnung zu behaupten.

Auf der Suche nach einem Grab

Buchhinweis

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Matthias Politycki: «Samarkand, Samarkand». Hoffmann und Campe, 2013.

Von der Freien Feste Wandsbeck bekommt der ehemalige DDR-Grenzschützer Alexander Kaufner, 59, den Auftrag, die Islamisten zu schädigen. Er soll in den Bergen von Usbekistan und Tadschikistan ein Grab finden, das den Islamisten heilig ist, das Grab des legendären Mongolenherrschers Timur. Und er soll es zerstören, um ihren Kampfeswillen zu brechen.

Auf der Suche nach diesem Grab irrt er durch eine faszinierende, aber unzugängliche Kultur. In Samarkand, der Perle der Seidenstrasse, wird «um das Wesentliche herumgeschwiegen». Die Menschen, auch seine Beschützerin Schochi, die mit dem sechsten Sinn ausgestattet ist, bleiben undurchschaubar. Kaufner erlebt die brutale Schönheit der wilden Berge. Dort wird er ein anderer Mensch.

Klischees des Abenteuerromans, ironisch gebrochen

Der renommierte deutsche Schriftsteller Matthias Politycki.
Legende: Der renommierte deutsche Schriftsteller Matthias Politycki. Mathias Bothor/photoselection

Wenn der Autor Matthias Politycki bei seinem Stammtürken im Schanzenviertel von Hamburg sitzt – der Wirt heisst zufällig gleich wie der Bundeskanzler im Roman – so kommt er gern ins Erzählen: Seit seiner Karl-May-Lektüre liebt er Reisen und Bücher mit Landkarten. In «Samarkand, Samerkand» zeigen die Karten Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Afghanistan, Turkmenistan, Usbekistan – die Gegend, die Politycki vor 25 Jahren zum ersten Mal bereist hat.

Seither beschäftigt ihn der Stoff. Die Verstörungen, ausgelöst von der Begegnung mit einer fremden Kultur, und die Ängste in den wilden Bergen – beides hat der Autor selbst erlebt. Im Roman aber geht er mit seinen existentiellen Erfahrungen spielerisch um.

Er nutzt die Klischees und Gepflogenheiten des Abenteuer- und Agentenromans, um Spannung zu erzeugen, und ironisiert sie dann doch. Selbstverständlich hat Kaufner einen gefährlichen Gegner, ein harter Zweikampf kommt in Gang und alles läuft auf einen Showdown hinaus – aber bei Politycki gibt es keine eindeutigen Sieger und Verlierer, er findet im letzten Moment immer wieder eine dritte Lösung.

Europa retten? Ziemlich absurd

Video
Bei Matthias Politycki verliert Europa den Kampf der Kulturen
Aus Kulturplatz vom 11.09.2013.
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 3 Sekunden.

Kaufner soll Europa retten. Das klingt ziemlich absurd. Und doch: Die Vorstellung, dass es historische Verpflichtungen gibt, ist nicht neu. Sie hatte ihre Zeit, bevor sie in der Zuversicht der 90er-Jahre unterging. Seit 9/11 ist sie wieder aktueller geworden.

Der Dramatiker Heiner Müller hat 1979 ein Stück mit dem Titel «Der Auftrag» geschrieben: Drei Emissäre des französischen Konvents sollen auf Jamaika einen Aufstand der Sklaven anzetteln. Während ihrer Arbeit für die Revolution kommen ihnen aber ihre Auftraggeber abhanden: Mit seinem Staatstreich vom 9. November 1799 beseitigt General Bonaparte die Revolutionsregierung und «die Welt wird was sie war, eine Heimat für Herren und Sklaven».

Kaufner geht es ähnlich. Ein Mann mit einem Turban erscheint, er entpuppt sich als Bote. Die Botschaft, die er zu überbringen hat, ist in seine Kopfhaut eingebrannt: Hör auf! Auftrag beendet! Nach Hause fliegen! Denn: Die Islamisten haben sich mit der Türkei verbündet, also besteht kein Interesse mehr, sie zu schwächen.

Neben Abenteuer und Spiel stellt Politycki auch die ernste Frage, ob es lohnend und möglich wäre, Europa zu verteidigen, falls es nötig wäre …

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