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Literatur Schweizer Literaturpreis geht an Pedretti, Pusterla und Lovay

Die ersten Träger des neuen Schweizer Literaturpreises heissen Erica Pedretti, Fabio Pusterla, Jean-Marc Lovay und das Festival Babel. Sie werden den Preis im Rahmen der Solothurner Literaturtage entgegennehmen. Die Auswahl ist ein Signal, dass die Jury auf Qualität statt Verkaufserfolge setzt.

Pedretti, Pusterla und Lovay erhalten die mit je 40'000 Franken dotierte Auszeichnung für ihr Gesamtwerk. Damit würdigt die Eidgenössische Jury für Literatur die Kontinuität ihres Werkes und ihre literarische Resonanz über Sprach- und Landesgrenzen hinaus.

Drei Literaturschaffende und ein Übersetzungsfestival

Die 1930 in Mähren geborene Schriftstellerin Erica Pedretti kam 1945 in die Schweiz. Mit ganz konzentrierten Mitteln widmen sich Pedrettis Romane (z.B. «Engste Heimat», 1995) und Erzählungen dem persönlichen Flüchtlingsschicksal, der Suche nach Erinnerung und weiblicher Emanzipation; durch surreal-traumhafte Elemente versucht sie dabei normierte Denkmuster aufzubrechen. Erica Pedretti ist eine etablierte Schriftstellerin, die bei Suhrkamp publiziert. Sie schreibt auch Hörspiele und Kinderbücher und arbeitet als bildende Künstlerin.

Fabio Pusterla, geboren 1957 in Mendrisio, ist einer der ganz grossen Lyriker im italienischen Sprachraum. Er lebt in Norditalien und unterrichtet in Lugano am Gymnasium. Er veröffentlichte seit 1985 mehrere Gedichtbände, die mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurden. Er ist zudem Essayist und ein hervorragender Übersetzer aus dem Französischen und dem Portugiesischen und generell ein grosser Akteur in der Kulturszene. Aus dem Französischen hat er ein Grossteil des Werks von Philippe Jaccottet übersetzt.

Der 1948 in Sion geborene Jean-Marc Lovay arbeitet nach einer Lehre als Fotograf als Journalist und Schriftsteller. Er unternimmt immer wieder ausgedehnte Reisen in ferne Länder, von wo er mit seinem Freund Maurice Chappaz korrespondiert. Er schreibt in französischer Sprache und hat bisher über 15 Bücher veröffentlicht.

Das Übersetzungsfestival Babel in Bellinzona wird für «seine multidisziplinäre Kompetenz und sein unermüdliches Engagement im interkulturellen Diskurs» geehrt. Es erhält gleich zwei Preise, nämlich den für Übersetzung und den für Vermittlung.

Jury setzt auf gestandene Autoren

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Literaturredaktor Hans Ulrich Probst zur Verleihung der Schweizer Literaturpreise
06:46 min
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Für SRF-Literaturredaktor Hans Ulrich Probst zeigt diese Auswahl klar, dass die Jury auf gestande Autoren setzt. Ganz offensichtlich wolle sie Qualität und nicht Verkaufserfolge prämieren. Ebenso werde damit die Dreisprachigkeit betont.

Mit dem «Schweizer Literaturpreis» wird das Gesamtwerk einer Autorin oder eines Autors ausgezeichnet. Die dieses Jahr vom Bundesamt für Kultur (BAK) erstmals vergebenen Preise ersetzen den Grossen Schillerpreis der Schweizerischen Schillerstiftung. Dieser wurde von 1920 bis 2012 nur gerade 20 Mal vergeben, an literarische Schwergewichte wie Carl Spitteler, Friedrich Dürrenmatt, Max Frisch oder Erika Burkart. Zuletzt war er mit 30'000 Franken dotiert.

Im vergangenen Dezember wurden vom BAK auch erstmals «Eidgenössische Literaturpreise» verliehen. Im Gegensatz zum «Schweizer Literaturpreis» werden sie für einzelne Bücher verliehen. Sie gingen an die neuesten Werke von Irena Brezná, Arno Camenisch, Thilo Krause, Matthias Zschokke, Marius Daniel Popescu, Catherine Safonoff und Frédéric Wandelère. Diese Preise sind mit je 25'000 Franken dotiert.

«Inflation» von Preisen für die Schweizer Literatur

Hier stellt sich die Frage, ob es auch in Zukunft möglich sein wird, jährlich aus allen drei Landesteilen Preisträger für ihr Lebenswerk zu küren. Literaturredaktor Hans Ulrich Probst: «Die Jury hat zum Glück den Spielraum, manchmal auch nur einen grossen Preis für ein Lebenswerk zu vergeben.»

Allerdings sei diese Zunahme an Preisen durchaus ein Problem, denn so würden sie weniger beachtet. Zudem sei auch die Preissumme von 40'000 Franken nicht gerade sehr hoch – häufig seien Förderstipendien der Pro Helvetia oder der Kantone höher. Ebenso sei auch das Verhältnis von 25'000 Franken für ein Buch gegenüber 40'000 Franken für ein Lebenswerk «vielleicht nicht das richtige», so Hans Ulrich Probst.

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