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Der Schriftsteller Siegfried Lenz Pfeife rauchend vor einem Büchergestell.
Legende: Siegfried Lenz behandelte seine Charaktere mit einem «Feingefühl, das man in der Weltliteratur nur selten findet». Keystone

Literatur Siegfried Lenz: Eine ruhige Kraft ging von ihm aus

Er schrieb am liebsten für sich selbst – und erreichte damit ein Millionenpublikum. Siegfried Lenz schrieb herausragende Werke der Nachkriegsliteratur. Nun ist er 88-jährig im Kreise der Familie gestorben. Mit dem Roman «Deutschstunde» schuf Lenz einen Welterfolg.

Ganz zuletzt hat er noch eine Debatte um sein Werk erlebt. Es ging um die «Deutschstunde», sein berühmtestes Buch und um die Figur des Malers Emil Nolde, die ihm darin als Vorbild dient. Noldes positive Haltung gegenüber dem NS-Regime war bekannt. Trotzdem sorgte sie im Frühling für eine Debatte in den Medien. Sollte das nun den Roman um die Figur Max Ludwig Nansen diskreditieren, bald 50 Jahre nach der Veröffentlichung?

So kam einer der Stillen im Lande noch einmal in die Feuilletons. Er, der zu den Grossen der deutschen Literatur zählt. 10'000 Seiten umfasst sein Werk, Erzählungen, Theaterstücke, Romane, Hörspiele. 30 Millionen Bücher hat Lenz weltweit verkauft. Er war ein Schriftsteller, den das Publikum liebte. Ein Autor für Leser, klug und bescheiden im Auftreten und in der Haltung. Ein Hanseat in seiner Wahlheimatstadt Hamburg.

Er suchte nie die politische Arena

1926 ist er in Ostpreussen geboren und die Region Masuren gab ihm die Motive seiner Erzählungen und Romane «So zärtlich war Suleyken» (1955) und «Heimatmuseum» (1978). Flucht und Vertreibung sind hier sein Thema. Für die Aussöhnung mit Polen war Siegfried Lenz auch politisch engagiert.

Zur Unterzeichnung des Warschauer Vertrages reiste er mit Bundeskanzler Willy Brand nach Warschau. Mit Helmut Schmidt verband ihn eine jahrzehntelange Freundschaft. Die politische Arena suchte er trotzdem nicht, anders als die Nobelpreisträger Heinrich Böll und Günter Grass.

Wirksam war Lenz auf leise Art. Seine grossen Romane verhandeln das Trauma der Deutschen, die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit, die Erfahrung der Diktatur. Sie wollen empfindlich machen für die Ereignisse der Zeit, Korrekturen anbringen an ihrem Bild. «Höchst beliebt und vielleicht auch geliebt», sah ihn sein Freund Marcel Reich-Ranicki. Und der israelische Schriftsteller Amos Oz befand: «Siegfried Lenz beurteilt seine Charaktere nicht. Er behandelt sie mit einem Feingefühl, das man in der Weltliteratur nur selten findet.»

Eine ruhige Kraft ging von ihm aus

Spion oder Fischer wollte Lenz einmal werden, Berufe bei denen wenig geredet wird. Lieber wollte er schreiben und am liebsten für sich selbst. Beobachter wollte er sein und hat dies in seiner genauen Figurenzeichnung, seiner schnörkellosen Sprache bewiesen. Er besass Disziplin als Autor, war geduldig, konnte Warten. Eine ruhige Kraft ging von ihm aus. Er wollte nicht viel Aufhebens machen, nicht in den Geschichten seiner Bücher und schon gar nicht von sich selbst.

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Geliebt und geehrt wurde Siegfried Lenz gleichwohl. Den Goethepreis der Stadt Frankfurt hat er erhalten und den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Viele seiner Romane und Erzählungen wurden für ein Millionenpublikum verfilmt. «Die Flut ist pünktlich», die Verfilmung seiner Kurzgeschichte hat er noch selbst im Kino gesehen. Jetzt ist Siegfried Lenz im Alter von 88 Jahren gestorben.

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