So unterschiedlich sie sind, diese beiden Romane, etwas haben sie gemein: der Krieg bleibt im Hintergrund. Kampfhandlungen werden keine beschrieben. Tote gibt es auch nicht. Dafür gibt es jede Menge Humor. Feinen, wie bei Lasha Bugadze, grimmigen, wie bei Zaza Burchuladze.
Der Fernsehturm bleibt, die Freundin nicht
Bugadzes Roman «Der Literaturexpress» beginnt mit dem Angriff der russischen Truppen auf Tiflis in der Nacht auf den 8. August 2008. Sein Held Zaza und dessen Freundin Elene liegen im Bett, als es knallt. Die beiden glauben, der Fernsehturm ums Eck sei getroffen und stürze nun auf ihr kleines Haus. Ist er aber nicht, und der Krieg findet fortan nicht mehr statt. Physisch zumindest nicht.
Stattdessen ist Zaza ein paar Wochen später seine Freundin los – nicht wegen des Krieges, sondern wegen Untreue – und reist deprimiert durch Europa. Zusammen mit 99 anderen mittelmässigen Schriftstellern sitzt er im sogenannten Literaturexpress und macht Werbung für Frieden und Völkerverständigung. Und natürlich auch ein bisschen für sich selbst.
Nur die Alten regen sich auf
Und schon sind wir wieder beim Krieg. Während hundert Egomanen unter dem Vorwand, etwas für Frieden und Völkerverständigung zu tun, durch Europa reisen und ihre eigene Karriere ankurbeln, bricht am anderen Ende Europas tatsächlich ein Krieg aus. Und natürlich interessiert das kein Schwein.
Die Schriftsteller nicht, die zu beschäftigt sind mit Frieden und Völkerverständigung um sich auch noch um einen realen Krieg zu kümmern, und auch Zaza nicht, der grundsätzlich ein unpolitischer Mensch ist. Und so bleibt der Krieg in diesem Buch das Thema von Zazas Eltern, alte Sowjetmenschen, Schachclubvorsitzende und Ex-Privilegierte, die sich jeweils am Telefon furchtbar über den Krieg aufregen.
Auch das Original ist fake
Und so ist das auch bei Zaza Burchuladze und seinem Roman «Adibas». Der Krieg von 2008 ist eine Sache der Alten. Die Jungen geht er nichts an. Burchuladze zeigt eine westlich orientierte, gut ausgebildete und vernetzte Generation von Neureichen, die hauptsächlich mit sich selber beschäftigt ist. Mit Konsum, Drogen und Sex. Viel Sex.
Dass dabei alles fake ist, die Markenklamotten ebenso wie die Turnschuhe von «Adibas» und sogar der Sex, der sich als nachgespielte Pornografie entpuppt, spielt offenbar keine Rolle. Das Bild zählt. Das Bild, von dem diese Generation nicht mehr sagen kann, ob es Abbild einer Sache ist oder das Original.
Fernsehbilder vor der Haustür
Denn wer kann schon wirklich sagen, was auf einem Display ist und was dahinter? Und wer kann schon wirklich sagen, was Style ist und was Mensch? Und so ist das auch mit dem Krieg. Der findet im Fernsehen statt. Dass das Bild im Fernsehen von vor der Haustür stammt, dringt nicht ins Bewusstsein dieser Generation vor.
Das kennen wir von zuhause, aus unserem eigenen Leben. Und darum erreichen uns auch die beiden Autoren aus dem fernen Kaukasus.
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Antihipster- statt Antikriegsroman
Die beiden Autoren tun etwas Ungeheuerliches. Sie nutzen den Antikriegsroman nicht, um über den Krieg zu schreiben, sondern über das, was sie wirklich interessiert: die selbstbezogene Literaturszene bei Bugadze. Die selbstbezogene Hipsterszene bei Burchuladze.
Das ist frech. Und neu. Und bewegt bestimmt mehr Leute, als ein Lamento über einen Krieg im Kaukasus, der war, ist und vermutlich sein wird, solange Grossmächte nicht aufhören, Interessensgebiete haben.