SRF: Klaus Merz, als was für einen Menschen haben Sie Werner Morlang in Erinnerung?
Klaus Merz: Er war eine umsichtige und nachdenkliche Person. Er war unglaublich belesen, ohne dass er dies je herausgehängt hätte. Zudem konnte er ebenso gut zuhören, wie er selbst formulierte. Die Literatur war seine Leidenschaft. Er war ihr ein Leben lang auf der Spur.
Werner Morlang hat sich in seinen zahlreichen Werken mit unterschiedlichsten Literaten beschäftigt. So schrieb er etwa über so unterschiedliche Autoren wie Gerhard Meier, Robert Walser, Ludwig Hohl oder Elias Canetti. Was trieb an?
Das Wissen-Wollen um unsere Existenz. Wie funktioniert das Leben? Wie wird aus Nebel Leben? Es waren die Grundfragen, die ihn beschäftigten. Dabei ging er stets in parallelen Schuhen: Zum einen lebte er sein Leben, und zum anderen las er es gleichzeitig in der Auseinandersetzung mit Schriftstellern. Keiner wusste so gut wie Werner Morlang, dass die Literatur das Leben in seiner ganzen bunten Palette lesbar macht. Werner Morlang verstand es meisterhaft, diesen Schatz seinerseits in Worte zu fassen und dem Publikum zu vermitteln.
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Ein Leben für die Literatur – wie zeigte sich dies konkret in seinem Alltag?
Er liebte Bücher. Er war oft in Antiquariaten anzutreffen. Auch wenn sein Portemonnaie nicht so dick war, bemühte er sich immer wieder um Erstausgaben. Die Sinnlichkeit des Buches und der Buchstaben verzauberte ihn. Da kam ihm entgegen, dass er mit Ruth Känel eine Partnerin hatte, die viel Verständnis aufbrachte, wenn er etwa immer wieder mit neuen Paketen voll Büchern nach Hause kam und die Wohnung dabei nicht grösser wurde.
Er hat sich mit ganz unterschiedlichen Autoren befasst. Hatte er dennoch Vorlieben?
Seine Interessen waren breit gefächert und nicht einfach festlegbar. Werner Morlang war der Entzifferer von Robert Walsers mikrografischem Nachlass «Aus dem Bleistiftgebiet». Daneben hat er in einem permanenten Gespräch gestanden mit Gerhard Meier, aus dem dann auch ein Buch entstanden ist. Und zudem hatte er auch eine grosse Affinität zum guten Kriminalroman.
Werner Morlang hat im Schauspielhaus in Zürich regelmässig Veranstaltungen durchgeführt, wo er dem Publikum Literaten näher brachte. Was stand dahinter?
Ich habe erst kürzlich einen dieser Auftritte erlebt. Ein Schauspieler las literarische Texte und Werner Morlang führte sie ein und kommentierte sie. Dabei erlebte ich ihn in einer Mischung von Grand-Seigneur und Oberkellner, der die Texte servierte und dem Publikum schmackhaft machte – notabene mit einem Glas Whiskey in der Hand. Ich glaube, dass er in dieser Rolle auch seine schauspielerische Seite ausleben konnte, die er zweifelsohne auch hatte.
Was verliert die Schweiz mit dem Tod von Werner Morlang?
Einen der letzten grossen Vermittler und wissenden Liebhaber der Literatur. Ohne seine Stimme wird die Literatur in unserer Gesellschaft weiter an Bedeutung verlieren. Und das ist natürlich sehr bedauernswert.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 19.11.2015, 17:15 Uhr.