Bereits sein erster Roman ist ein Erfolg. «Damals in Nagasaki» – so der deutsche Titel – erzählt von einer Japanerin, die nach dem Tod ihres Mannes und dem Selbstmord ihrer Tochter an die Zeit ihrer Schwangerschaft zurückdenkt, die sie in einem Hochhaus am Rande der durch die Atombombe verwüsteten Stadt erlebt hat.
Schon damals ist klar, welche Themen den Schriftsteller umtreiben: das Erinnern, das Vergessen und die Suche nach sich selbst.
Berufswunsch: Popstar
Geboren wird 1954 Kazuo Ishiguro in Japan. Mit sechs Jahren zieht er mit seinen Eltern nach England.
Sein Vater hat dort eine Stelle in der Ölbranche. Ishiguro wächst südlich von London auf. Nichts deutet darauf hin, dass er einmal Schriftsteller wird.
Sein erstes Steckenpferd ist – passend zu London in den 1970er-Jahren – die Musik. Er lernt Gitarre und Klavier und tourt als Sänger durch die Clubs und Pubs rund um die britische Hauptstadt. Popstar will er werden.
Stattdessen wird er erst mal Jagdhelfer im Tross der britischen Königinmutter und Sozialarbeiter in einem Obdachlosenheim.
Mit Booker Prize ausgezeichnet
Erst mit 29 fängt er an zu schreiben, Kurzgeschichten zuerst, doch schon sechs Jahre später schafft er mit seinem dritten Roman «Was vom Tage übrigblieb» seinen Durchbruch.
Das Buch, wieder eine Geschichte über die Suche nach sich selbst, verkauft sich alleine im angelsächsischen Raum über eine Million Mal und wird kurze Zeit später mit Anthony Hopkins und Emma Thomson in den Hauptrollen erfolgreich verfilmt. Ishiguro erhält den Booker Prize und gehört fortan zu den Grossen seiner Zunft.
Grosse Wirkung
Jetzt also der Nobelpreis. Die Akademie anerkennt seine Romane, die «eine grosse emotionale Wirkung erzielen und den Abgrund einer vermeintlichen Verbundenheit mit der Welt entlarven.»
Diese emotionale Wirkung, die die Akademie hervorhebt, erreicht der Schriftsteller dank seiner Technik, die mit viel Distanz zu tun hat.
Distanz des Autors zu seinem Thema, Distanz der Figuren zu ihrem Schicksal. Dostojewski und Tschechow nennt er als seine Vorbilder. Autoren, die vergleichbar vorgehen wie er.
Kunstvolle Sprache
Dazu kommt die Sprache. Ishiguro, der erst mit 35 in seine japanische Heimat zurückgekehrt ist, schreibe das schönste Englisch überhaupt, attestieren ihm Kritiker.
Tatsächlich ist seine Sprache elaboriert und höchst kunstvoll gearbeitet. Trotzdem ist er volksnah.
Er schreibt Drehbücher für Film- und Fernsehproduktionen und arbeitet gelegentlich als Texter für die Jazz-Sängerin Stacey Kent.
Einer aus dem Mainstream
All das könnte bei der Entscheidung der Nobelpreisjury eine Rolle gespielt haben. Ishiguro ist ein Vorzeigeschriftsteller. Einer aus dem gehobenen Mainstream.
Nach einer politischen Journalistin wie Swetlana Alexejewitsch vor zwei Jahren und einem musizierenden Lyriker wie Bob Dylan im letzten Jahr, was das wohl wieder fällig. Kein Dichter, keiner aus dem literarischen Nebengeschäft, sondern einer, der Romane schreibt. Und damit Erfolg hat.
Einer, der den Preis wohl abholt
Ishiguro deckt das alles ab. Das ist sein gutes Recht und es gibt keinen Grund, ihn dafür zu kritisieren oder gar an seiner Qualität zu zweifeln.
Ob die Akademie derzeit nicht doch einen etwas anderen Schwerpunkte hätte setzen können, einen politischeren oder künstlerisch mutigeren, darf dennoch bemerkt werden.
Es muss ja nicht gleich einer sein, der dann den Preis nicht abholen will. So aber bleibt das Gefühl zurück, die Akademie habe sich dieses Mal für einen sicheren Wert entschieden.