Albert Einstein kennt bis heute jedes Kind, seine erste Frau, die Mathematikerin Mileva Maric, hingegen fast niemand. Dabei haben Albert und Mileva 1905 erste Artikel gemeinsam verfasst. Karriere machte Einstein mit den gemeinsamen Ideen dann lieber alleine. Maric zog dafür das gemeinsame Kind auf.
«I'm Every Woman» ist eine solid recherchierte Kulturgeschichte von Genies und ihren Schattenfrauen, vorgetragen mit feministischer Leidenschaft und ätzendem Sarkasmus.
Muse, Kuscheltier oder Pflegerin
Neben Einstein ordnet Liv Strömquist auch Karl Marx in die Top 7 der «unsäglichsten Lover der Weltgeschichte» ein. Er liess seine Texte von seiner Gattin Jenny redigieren, während er das Dienstmädchen Lenchen schwängerte.
Und auch mit John Lennon, Stalin oder Elvis rechnet die schwedische Comicautorin ab. Egal wie begabt deren Frauen waren, sie wurden zu Musen, Kuscheltieren oder zu Pflegerinnen sensibler Mega-Egos degradiert. Aus dem Schatten ihrer Göttergatten treten oder gar ihr eigenes Leben leben, gab es nicht.
«I'm Every Woman» ist eine Sammlung von Comic-Essays, benannt nach einem Hit von Chaka Khan aus Strömquists Geburtsjahr 1978. Die amerikanische Soulsängerin zelebriert mit dem Song die willige Unterwerfung der Frau unter die Bedürfnisse des Mannes.
Mehr als #MeToo-Kritik
Die Zeichnungen sind allerdings mehr als eine launige Ausweitung der #MeToo-Debatte auf historische Promi-Paare. Strömquist geht auf die gesellschaftlichen Umstände ein, die die Unterwerfung der Frau unter diesen Geniekult überhaupt erst ermöglichten.
Bereits mit «Der Ursprung der Welt», ihrer feministischen Kulturgeschichte der Vulva, landete Strömquist einen internationalen Longseller. Darin arbeitete sie den Umgang mit dem weiblichen Geschlechtsorgan von der matriarchalischen Vorgeschichte bis in die Gegenwart auf. Und sie zeigte auf, wie die weibliche Sexualität immer wieder durch machtbewusste Männer pathologisiert und für minderwertig erklärt wurde.
Das neue Buch ist fragmentierter. Statt sich ganz auf ihr Thema zu konzentrieren, streift Strömquist auch Nebenschauplätze wie die übertriebene Feminisierung von Comic-Figuren und die familienpolitisch rechtskonservativen Tendenzen von Kinder. Diese kurzen Einsprengsel sind an sich witzig, führen aber zu weit von ihrer Diskussion des männlichen Geniekults weg.
Eine sarkastische Entertainerin
Die Qualität von «I'm Every Woman» liegt in Strömquists Haltung und Vortragsweise: Auch als Comic-Essayistin ist sie eine Entertainerin. Sie ist keine diskrete Historikerin, sondern eine zeichnende Stand-Up-Comedian. Wütend, emotional und sarkastisch spricht sie ihre Leserinnen und Leser direkt an und ist selber immer wieder aufrichtig empört über die Fakten, die sie ans Tageslicht zerrt.
So ist auch der Zeichenstil: Strömquist zeichnet wie eine Punk-Rockerin musiziert. Ihr Strich ist einfach, krude und direkt. Immer wieder unterbricht sie den Bildfluss mit fetten Textpanel, Ausrufe- oder Fragezeichen und Fussnoten.
Witzig, wütend und informativ: «I'm Every Woman» ist eine aufklärerische Streitschrift mit hohem Unterhaltungswert.