«Die Herkunft des Namens Brocken liegt im Dunkeln», sagt Hans-Jörg Uther, Volkskundler aus Göttingen und Leiter der «Enzyklopädie des Märchens». Vermutlich stamme er von einem alten Wort für Moorlandschaft ab, die den Brocken wirklich umgebe. Oder der Name rühre von «brechen» her – denn auf dem Gipfel liegen Felsblöcke herum, als wären sie zerbrochen.
Auch zum Namen «Blocksberg» gibt es nur Vermutungen: Ob er auf «Block» zurückgehe – ein altes Wort für Hexen? Hans-Jörg Uther sieht den Ursprung eher beim Universalgelehrten Johannes Praetorius: Dieser trug alles zusammen, was man über Hexen wusste und nannte seine Sammlung «Blockes-Berges Verrichtung». Auch wenn Praetorius auf ältere Quellen zurückgriff – der Name also viel älter ist – so hat er doch den Brocken zum Blocksberg gemacht.
Unheimliche Anziehungskraft
Warum aber sollen Hexen ausgerechnet auf den Brocken geflogen sein? Das könnte an den klimatischen Extremen liegen. Sein Gipfel ist über 300 Mal im Jahr in Nebel gehüllt. Winde fegen ungehindert mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 45 km/h über ihn hinweg. Schnee türmt sich meterhoch, und Eis lagert überall ab.
Bizzare Eisgebilde im Nebel und knorrige alte Bäume: Da ist es in der Phantasie zu Hexen und anderen Erscheinungen nicht mehr weit. Ausserdem war der Brocken in früheren Jahrhunderten kaum zugänglich. «Hohe Gebirge haben schon immer als Sitz von Göttern und Geistern gegolten», sagt Volkskundler Hans-Jörg Uther. Man denke da nur an den Olymp als Sitz der griechischen Götter. Quellen besagten, dass der Brocken erstmals im späten Mittelalter bestiegen wurde.
Goethe und die Hexenverbrennungen
Davor hatte in Europa jedoch bereits eine grauenhafte Hexenjagd begonnen. Ausgehend vom «Hexenhammer», einem Werk des Dominikaners Heinrich Kramer von 1486, legitimierte man Hexenverbrennungen. Diese machten auch vor dem Blocksberg nicht Halt. Die vermeintlichen Hexen wurden so lange gefoltert, bis sie alles mögliche zugaben.
Erstmals 1540 wurde der Hexenflug auf den Blocksberg gestanden. Hunderte, meist Frauen, wurden in der Folge am Fusse des Brockens und in ganz Westeuropa auf den Scheiterhaufen verbrannt. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts klang der Wahn dann langsam ab.
An den Hexenspuk auf dem Brocken erinnern heute nur noch Flurbezeichnungen wie Hexenaltar und Teufelskanzel. Und vor allem ein Klassiker der deutschen Literatur: Goethes «Faust».
Im Jahr 1777 reiste Johann Wolfgang von Goethe erstmals durch den Harz und bestieg mitten im Winter den Brocken. Eine Begegnung mit Folgen: Gut 30 Jahre später schickte er Mephisto und Faust in der Walpurgisnacht auf den Blocksberg. Heinrich Heine und Hans Christian Andersen begaben sich auf Goethes Spuren und waren von der romantisch-mysteriösen Landschaft ebenso fasziniert.
Horchposten im Harz
Und dann spukt es tatsächlich erneut auf dem Brocken: Nach der Teilung Deutschlands liegt der Brocken in der DDR. Zeitgleich mit dem Bau der Berliner Mauer 1961 wird auch der Brocken abgeschottet und zur verbotenen Zone erklärt. Sowohl die Stasi wie auch die Rote Armee bauen ihre Abhörstationen auf den Gipfel.
Sie horchen dort jahrzehntelang den Dämon des Westens ab, bis zum Ärmelkanal. Seit 1989, nach der Wende, ist auch diese Geisterjagd Geschichte. Heute ist der Brocken im Harz das, was er durch die Jahrhunderte eigentlich immer am liebsten war: ein beliebtes Ausflugsziel der Touristen.