Der Einstieg ist fulminant: Wir schreiben den 26. September 1959. Asada Asa ist ein aufgewecktes 12-jähriges Mädchen, das mit seinen elf Geschwistern in Nagoya aufwächst.
Doch bereits auf der ersten Seite von «Asadora!» braut sich ein Taifun zusammen, der weite Teile von Nagoya verwüsten wird und Asada zur Waise macht. Fortan muss sie sich im unübersichtlichen Nachkriegsjapan selbst zurechtfinden.
Eine Lektion für die Jugend
In seiner neusten Serie «Asadora!» erzählt Naoki Urasawa die Lebensgeschichte einer jungen Japanerin – und rollt damit die Geschichte Japans seit dem Zweiten Weltkrieg auf.
Die japanische Jugend, begründet Urasawa im Gespräch die Wahl des Schauplatzes, «versteht den Zweiten Weltkrieg und die Folgen der japanischen Niederlage nicht mehr. Dieses fehlende Wissen ist gefährlich.»
Der 1960 geborene Naoki Urasawa ist ein begnadeter Erzähler, der seine Geschichten an relevante gesellschaftliche, politische und zeitgeschichtliche Themen anlehnt – und diese realistische Grundlage jeweils um historische Spekulationen und um eine fantastische, übernatürliche Ebene überhöht.
Gezeichnet von Kriegstraumata
Im Aufwachsen Asadas spiegelt sich die Entwicklung Japans. Urasawa webt viele historische Fakten in seine Geschichte ein, um ihr mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen. Gewisse Ereignisse tauchen andeutungsweise auf, andere hingegen sind tragende Elemente, so der Taifun von 1959 und die olympischen Sommerspiele von 1964.
In diesem Zeitraum sind die Nachwirkungen des Zweiten Weltkriegs noch spürbar. Die meisten Figuren in «Asadora!» tragen ihre inneren und äusseren Verletzungen und Traumata aus den Kriegsjahren mit sich.
So etwa der Militärpilot Kasuga. Er hat sich mit seiner Entlassung aus der Armee nicht abgefunden und schlägt sich als Einbrecher durch, ehe er, nach ihrer denkwürdigen Begegnung, zu Asadas Mentor wird. Oder die mürrische, zunächst unnahbare Ladenbesitzerin Kinuya, die Asada schliesslich bei sich aufnimmt.
Kampf gegen ein Monster
Das fantastische Element in «Asadora!» ist ein riesiges Seeungeheuer. Asada hat es während des Taifuns erblickt; fünf Jahre später bedroht es die Spiele in Tokio.
Die mittlerweile 17-Jährige, immer noch herzensgute und selbstlose Asada und ihr Mentor Kasuga wollen das Monster unschädlich machen, um den Tod von Asadas Familie zu rächen und Japan zu beschützen. Dabei geraten sie ins Schussfeld von Regierung, Kriminellen und fremden Agenten.
Selten hat Urasawa seine Figuren und ihre Beziehungen so genau und einfühlsam gezeichnet und Action und Fantasy so gekonnt mit Psychologie und Milieustudien verknüpft.
Atemberaubender Erzählfluss
«Asadora!» ist ebenso rasant wie emotional, ein wilder Ritt durch das Japan der Nachkriegszeit. Das Tempo ist hoch, die Dramaturgie zwingend, das Spiel mit Brüchen und Wendungen virtuos, und die Zeichnungen sind realistisch und von atemberaubender Dynamik.
Mit «Asadora!» legt Naoki Urasawa eine Serie vor, in der er Spannung und Substanz, Popularität und Qualität zu durchtriebener und hochkomplexer Unterhaltung verknüpft.