Steile These in der letzten Ausgabe der «Sonntagszeitung»: Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch habe seinen Durchbruch massgeblich der CIA zu verdanken. Was wusste Frisch selbst? Müssen wir sein Werk neu lesen? SRF-Literaturredaktor und Frisch-Experte Julian Schütt über das Kulturförderprogramm der CIA, von dem nicht nur Max Frisch profitierte.
SRF: Max Frisch – ein Günstling der CIA. Sind das neue Erkenntnisse?
Julian Schütt: Nein, und das behauptet die «Sonntagszeitung» auch nicht. Tatsächlich gibt es mittlerweile etliche Studien über das sehr reichhaltige Kulturprogramm der CIA. Vor kurzem gab es im Haus der Kulturen in Berlin auch eine Ausstellung zum Thema «Kulturelle Freiheit und Kalter Krieg».
Die CIA fördert Kultur: Wie muss man sich das vorstellen?
Die CIA engagierte sich nicht direkt, sondern verbarg ihre Aktivitäten hinter verschiedenen Deckorganisationen wie dem «Kongress für kulturelle Freiheit». Oder hinter renommierten Kulturstiftungen.
Frisch hat auch im Alter nicht realisiert, wie sehr die Rockefeller Foundation oder auch die Ford Foundation mit der CIA verstrickt waren.
Bei Max Frisch war es vor allem die Rockefeller Foundation, die ihm 1951 ein Stipendium für ein ganzes Jahr in den USA ausrichtete. 1956 bezahlte sie ihm auch die Teilnahme an einer Design-Konferenz in Aspen und später eine universitäre Veranstaltung in Harvard.
Wusste Frisch, dass sich hinter der Förderung durch die Rockefeller Foundation der lange Arm der CIA verbarg?
Das wusste er in den 1950er-Jahren sicher nicht. Und er hat sich auch nicht ernsthaft gefragt, warum es die Rockefeller Foundation so gut mit ihm und andern europäischen Schriftstellern und Künstlern meinte.
Schon in den späten 1960er-Jahren wurde aber bekannt, dass die amerikanischen Geheimdienste europäische Künstler und Intellektuelle unterstützten, Konzerttourneen finanzierten. Vor allem aber auch europäische Kulturzeitschriften wie «Preuves», «Encounter» oder «Der Monat», für den Frisch auch geschrieben hat.
Man wollte nicht-kommunistische linke Intellektuelle und Künstler für die pro-amerikanische Sache einbinden.
Meines Wissens hat Frisch aber auch im Alter nicht wirklich realisiert, wie sehr die Rockefeller Foundation oder auch die Ford Foundation mit der CIA verstrickt waren. So hat er diese eigenen Förderbeiträge, soweit ich es überblicke, nie kritisch hinterfragt
Warum trat die CIA denn als Kulturförderin auf?
Sie wollte nicht hinter den schon sehr aktiven russischen Geheimdiensten zurückstehen, die im Kalten Krieg das Kultursponsoring forcierte.
Das Hauptziel war aber: Man wollte nicht-kommunistische linke Intellektuelle und Künstler für die pro-amerikanische Sache einbinden. Und man wollte das Image der USA als Kulturnation festigen – die USA nahm man kulturell in der Bundesrepublik Deutschland oder in Frankreich noch nicht wirklich ernst.
Auch Frisch hat die Arroganz gegenüber dem kulturellen Amerika in einem Essay kritisiert.
Wie ist dieses CIA-Engagement aus heutiger Sicht zu beurteilen?
Nicht grundsätzlich negativ. Im Gegensatz zu den Schweizer Spitzeln, die in Frisch nur eine potentielle Gefahr sahen, nahm die CIA die Kulturschaffenden ernst und unterstützte sie.
Tatsache ist, das der «Stiller»-Roman ganz sicher nicht nur von den Amerika-Erfahrungen lebt.
Obsolet wird die Kulturpolitik der CIA erst, wenn man ihre sehr schmutzigen, gewalttätigen Operationen in Kuba oder in lateinamerikanischen Staaten zu jener Zeit einbezieht.
Die Geheimdienstsubvention hat Max Frisch übrigens auch nicht davon abgehalten, die USA zu kritisieren. Frisch hat immer auch massiv Kritik geübt und sogar von faschistischen Tendenzen geschrieben. Seine USA-Kritik ist gerade in der heutigen Trump-Ära wieder sehr lesenswert.
Die «Sonntagszeitung» wagt die These, die amerikanischen Geheimdienste hätten letztlich den Durchbruch Max Frischs als Roman-Autor ermöglicht. Stimmt das?
Richtig ist, dass der Aufenthalt 1951 in Amerika für die Entstehung des Romans «Stiller» entscheidend war. Aber Tatsache ist auch, das der «Stiller»-Roman ganz sicher nicht nur von den Amerika-Erfahrungen lebt, sondern mindestens so sehr von Erfahrungen, die Frisch sonst in der Schweiz oder in Deutschland gemacht hat.
Frisch konnte «Stiller», mit dem er den Durchbruch schaffte, erst in die richtige Form bringen, als er wieder in seiner Dachkammer in Zollikon bei Zürich sass und sich herzhaft über die miefigen Nachbarn ärgern konnte.
Das Gespräch führte Irene Grüter.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 5.2.2018, 17:10 Uhr