Milena Mosers neuer Roman «Land der Söhne» erzählt die Geschichte dreier Generationen, die ihre Wurzeln in New Mexico, im Südwesten der USA, haben.
Die Schweizer Schriftstellerin lebt seit drei Jahren in Santa Fe, New Mexico, und erzählt im persönlichen Gespräch, wieso ihr neuer Roman in ihrer neuen Wahlheimat spielt.
SRF: Was gefällt Ihnen an New Mexico?
Milena Moser: Es ist vor allem der Himmel. Der Himmel über Santa Fe. Nirgends habe ich bis jetzt etwas Ähnliches gesehen. Er ist grösser, weiter, dramatischer. Diese Umgebung fasziniert und inspiriert mich.
Welche Wirkung hat denn der Himmel?
Ich glaube, es ist vor allem die Weite, die wir als Schweizer ja sehr vermissen. Wir haben Sehnsucht nach einem unbegrenzten, offenen Blick, der einem das Gefühl gibt, alles sei möglich.
Alles hier ist extrem: das Wetter, die Natur.
Es ist bestimmt kein Zufall, dass es gerade in Santa Fe, in New Mexico überhaupt, so viele Künstler, Aussteiger und Auswanderer gibt. Dass es gerade dort die Aussteiger-Hippie-Szene gegeben hat.
Die Grenzen, die man sich selber steckt oder einbildet, fallen hier weg. Unter diesem Himmel fühlt man sich einerseits klein, andererseits eröffnet er auch Möglichkeiten. Selbst wenn etwas schiefläuft, nimmt man das nicht so tragisch. Der Himmel ist einfach da.
New Mexico ist eine wunderschöne, aber auch eine karge Gegend. Begünstigt das dieses Gefühl der Freiheit und Unabhängigkeit?
Milena Moser: Ja, die Landschaft ist nicht lieblich. Alles ist extrem: das Wetter, die Natur. Es ist auch eine gefährliche Gegend. Oft stürzen Wanderer ab, oder jemand wird von einem Tier angegriffen.
Ihr neuer Roman «Land der Söhne» spielt auch in New Mexico. Wieso lässt sich diese Geschichte so gut in dieser kargen Wildnis erzählen?
Grundsätzlich kann eine solche Geschichte überall spielen. Familiengeschichten, Verletzungen, die weitergegeben werden – das sind keine New-Mexico-spezifische Themen. Aber die Landschaft, die Dramatik der Landschaft, verstärkt alles, was geschieht.
Und oft spiegelt zum Beispiel die Beschreibung des Himmels oder eines Gewitters mehr als wenn ich sagen würde, er fühlt das und das, oder das und das passiert «in ihm». Nein, es geschieht um ihn herum – und übersetzt und verstärkt die inneren Regungen und Gefühle.
Wie prägt diese Landschaft denn die Menschen?
Man sagt, die Einwohner von New Mexico seien hart – aber auch hart im Nehmen. Sie sind sehr traditionsbewusst, sehr mit dem Ort verbunden. Ich habe junge Leute kennengelernt, die die Chance gehabt hätten, für ihre Ausbildung wegzugehen. Aber das kam für sie nicht in Frage.
Die Landschaft fordert einen auch immer wieder heraus.
Ich kann diese Landschaft nicht verlassen, sagten sie. Das gibt es in Amerika selten. Die Menschen sind sonst nicht so verwurzelt.
Aber die Landschaft fordert einen auch immer wieder heraus. Auch das Wetter fordert einen immer wieder heraus. Es gibt Katastrophen: Man wird eingeschneit, überschwemmt, ausgetrocknet.
Das bewirkt wiederum eine grosse Verbundenheit und Hilfsbereitschaft unter den Bewohnern, wie wahrscheinlich in jeder kargen, extremen Landschaft, wo man aufeinander angewiesen ist.
Gleichzeitig ist es eine sehr vielseitige Gegend, wie man auch in Ihrem Buch nachlesen kann: Es gibt die Naturfreaks, die etwas aufbauen, die Hippie-Kommunen ...
Ja, das stimmt. Diese Gegend erlaubt einem, sich zu verwirklichen oder auszuprobieren. Und das ist für jeden und jede etwas anderes.
Das Gespräch führte Britta Spichiger.