Die Vielfalt an Mundarten in der Deutschschweiz sorgt dafür, dass viele Sprecher sich bei ihrer Wortwahl anpassen.
Wenn nicht, müssen die Zuhörer die Ausdrücke aus anderen Dialekten in die eigene Sprache übersetzen – nach persönlichem Sprachgefühl. Eine grosse Leistung.
Falschen Schalter erwischt
Alles ist Gewohnheitssache. Wenn sich die Leute verstehen wollen, schaffen sie das meist in kürzester Zeit. «In unseren Köpfen überlegen wir uns blitzschnell, was der andere wohl meint», sagt der Freiburger Dialektologe Walter Haas: «Wenn es nicht passt, machen wir Hypothesen, bis es passt.»
Klar, dass es dabei auch Missverständnisse gibt. «Manchmal schaltet der Hörer einfach den Schalter falsch um», sagt SRF-Mundartredaktor André Perler.
Fünf Anekdoten zu Mundart-Missverständnissen:
Eine Glarnerin sprach zu einer Bernerin über eine Bekannte: «Etz isch die schu über achtzgi, und etz will die moorä noch i ds Ämmital!» Das war heftig – wurde jene alte Frau doch als More , als «Sau» bezeichnet!
Keine Sorge, mit moore war natürlich «morgen» gemeint. Mittelländisches moorn ist in den Berggebieten der Deutschschweiz moore oder ähnlich. Ähnlich wie Bärn , das die Walliser als Bäre bezeichnen, oder gärn als gääre .
Süssigkeiten-Durcheinander
Berner Kinder lehnten von einer Zürcher Bekannten ein Zältli -Angebot ab. Logisch, denn was sollten sie mit einem kleinen Zelt? Erst das Täfeli sorgte dann für strahlende Gesichter und ein kräftiges: «Ja, gern».
Ähnliche Missverständnisse können die Bünder und Thurgauer hervorrufen, wenn sie dem Bonbon Zückerli sagen. Besonders viele Schwierigkeiten gibt es im Westen der Schweiz: Die Freiburger sagen Guezi für Bonbon, die Berner Güezi für Bisquits. Ja, was will das Kind denn jetzt?
Da haben wir das Geschenk!
Ein anderes höchstalemannisches (und alpines) Phänomen ist die Vokalisierung von «nk»: Zum Beispiel von trinke zu triiche . Oder von schenken zu scheiche . Mit dem Begriff scheiche erleben Freiburger und Berner Oberländer in Bern allerlei.
In der Stadt wird Scheiche abschätzig für «Beine» benutzt: « I setti epis ha für z scheiche.» – « Scheiche? D Strümpfabteilig isch im 3. Stock!» Da kann man froh sein, dass die Verkäuferin bei Scheiche nicht «Ölscheiche» gemeint hat.
Anzügliche Angeboten und vertauschte Babys?
Ein deutscher Mönch rümpfte in der Schweiz hinter seinem Dessert nur die Nase. Auf die Frage des weiblichen Gegenübers , «wämmer tuusche?» , war er ganz eingeschüchtert. Er glaubte, sie habe ihm ganz offen angeboten, mit ihr zu duschen.
Ein ähnliches Missverständnis erleben auch Freiburger und Walliser, die sich oder ihr Baby tuusche . Keine Sorge: Sie meinen damit weder umtauschen noch duschen. Sie wollen sich oder das Baby nur umziehen.
Ein Phänomen, das keine Sprachgrenzen kennt. Auch auf Französisch, Italienisch oder Spanisch gibt es nur einen Begriff für «tauschen» und «umziehen», «Kleider wechseln»: se changer , cambiare oder cambiar.
Hand aufs Herz, Hund aufs Brot?
Zu guter Letzt diese Anekdote: Der Honig wurde in der Schweiz lange – und zum Teil bis heute – einsilbig ausgesprochen: Hung, Hungg . Viele Berner und Solothurner sagen auch dem Hund in ihrer Mundart Hung .
Wenn dann der Hung auf den Frühstückstisch kommt, gibt es regelmässig fragende Gesichter: « Dihr tüet e Hung ufs Brot?»
Wenn man über solche Missverständnisse lachen kann, statt sich aufzuregen, dann ist die Schweizer Mundartlandschaft noch intakt.
Sendung: Radio SRF 1, Schnabelweid, 25.5.17, 20:03 Uhr