Seit Wochen wartet Kardinal Jorge Bergoglio (Jonathan Pryce) auf eine Reaktion aus dem Vatikan. In einem Demissionsschreiben hat er seinen Wunsch formuliert, wieder als ganz normaler Priester arbeiten zu dürfen.
Er teilt in vielen Punkten den traditionellen Kurs der Kirche nicht mehr. Aber eine Antwort bleibt aus. Also fliegt der Argentinier 2012 über den Atlantik, um Papst Benedikt XVI. (Anthony Hopkins) persönlich um Entlassung aus dem anspruchsvollen Kardinalsamt zu bitten.
Geistreiche Dialoge
So beginnt der Film «Die zwei Päpste». In der Folge weigert sich der gebrechlich wirkende Papst Benedikt XVI., die Kündigung von Kardinal Jorge Bergoglio zu akzeptieren.
Erst allmählich dämmert es dem Argentinier, dass der Deutsche eigene Rücktrittsgedanken verfolgt: «Ich kann diese Rolle nicht mehr spielen». Der Papst wünscht sich Kardinal Bergoglio als möglichen Nachfolger.
Kardinal Jorge Bergoglio reagiert entsetzt: «Päpste können nicht zurücktreten. Wenn Sie das tun, beschädigen Sie das Papsttum für immer.» Dieses Gespräch ist fiktiv, genauso wie die vielen weiteren geistreichen Dialoge, die uns Schauspielkunst der Sonderklasse bieten.
Zwei Päpste hinter der Mauer
Die Fakten sind bekannt: Im Februar 2013 tritt Papst Benedikt XVI. überraschend zurück. Kardinal Jorge Bergoglio wird als Franziskus zum Nachfolger gewählt.
Seither leben zwei Päpste hinter den Mauern des Vatikans. Eine ungewöhnliche Situation, die es seit 1294, als Celestin V. vorzeitig abdankte, nie mehr gegeben hat.
Und genau diese Besonderheit inspirierte Anthony McCarten zu diesem Stoff. Im Gespräch sagt er, ihn habe vor allem das Rätsel beschäftigt, «warum ausgerechnet Papst Benedikt XVI. – der traditionellste heilige Vater der Moderne – einen so unkonventionellen Schritt gewagt hat».
Papst Benedikt müsse ja gewusst haben, dass er mit einem Rücktritt seinen Gegnern die Gelegenheit gab, das Ruder zu übernehmen: «Und mit der Wahl von Papst Franziskus kam ja dann auch ein Reformer an die Macht.»
Buch näher an der Realität
Der Film besteht fast nur aus fiktiven Dialogen. Im Gegensatz dazu bleibt das Buch «Die zwei Päpste» näher an der Realität. Auch geht es mehr in die Tiefe.
Detailliert werden im Buch die Lebensläufe der zwei Päpste aufgeführt. Diese offenbaren Gegensätzlichkeiten: Die beiden unterscheiden sich sowohl was Herkunft, Vorlieben und Charakter betreffen, als auch in Kirchen- und Glaubensfragen.
Der Eindruck entsteht, dass Papst Franziskus aufgeschlossener und revolutionärer dargestellt wird, als es den Tatsachen entspricht. Die Fülle an Informationen, die Anthony McCarten und sein Recherche-Team zusammengetragen haben, ist gleichwohl beeindruckend.
Die Menschen hinter den Gewändern
Der neuseeländische Schriftsteller gibt offen zu, dass er sich auch brisantes Wissen von Vatikan-Insidern zunutze gemacht hat: «Sie verrieten uns zum Beispiel gutgehütete Geheimnisse über den Ablauf von Konklaven.»
Spannend an Film und Buch sind die Rückblenden, die bei beiden Männern dunkle Flecken der Vergangenheit an den Tag bringen: Bei Papst Franziskus liegen sie im Opportunismus unter der Militärdiktatur in Argentinien.
Bei Papst Benedikt XVI. ist es das fehlende Handeln, als die ersten sexuellen Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche aufflogen. So gesehen lehrt einen diese Geschichte: Auch Päpste sind letztlich nur Menschen.
Kinostart Deutschschweiz: 2.1.20