Gute Unterhaltungsliteratur zu schreiben, ist eine Kunst. Martin Suter ist darin versiert. Seit bald 25 Jahren rangiert er regelmässig mit seinen Büchern auf den internationalen Bestsellerlisten.
Der Durchbruch als Schriftsteller gelang ihm 1997 mit seinem Debüt «Small World». Darin widmet er sich dem Vergessen und arbeitet das gesellschaftlich relevante und ernste Thema Alzheimer auf – mit einer ungewohnt fesselnden Erzählweise.
Für den Roman wurde er mit dem renommierten französischen Literaturpreis Prix du premier roman étranger ausgezeichnet.
Weglassen und Präzisieren: Suters Schreibkonzept
Immer ist da ein Geheimnis, das es zu lüften gilt. Immer ist da die Ambivalenz, die Suters gutsituierte Romanfiguren ausmacht und ihr Handeln antreibt. Immer ist da das Spiel mit einer neuen Gattung, die für Abwechslung sorgt. Denn Suter hat zum Ziel, seine Leserschaft nie zu langweilen.
Vom Abenteuerroman «Die dunkle Seite des Mondes» oder der Zeitreise «Die Zeit, die Zeit» über den Serienkrimi «Allmen» bis hin zum Globalisierungsroman «Der Koch»: Suter zeigt sich als stiller Beobachter, der in einer präzisen und einfachen Sprache das Wesentliche einer Geschichte einzufangen weiss. So auch in seiner jüngsten Liebesgeschichte «Melody». Im Weglassen ist Suter stark. Er beschreibt nur, was in der Erinnerung bleibt.
Kann Martin Suter die Flughöhe halten?
Der Schriftsteller liegt mit seiner schmachtend-melancholisch-überzeichneten Liebesgeschichte «Melody» aktuell voll im Trend. Romance-Bücher verkaufen sich gut. Vermutlich ist das dem Bedürfnis nach grossen Gefühlen in Zeiten der Krise geschuldet.
Doch Suters Liebesgeschichte ist empfindungsarm. Seltsam blass bleibt diese schöne Frau mit dem langen schwarzen Haar, die Melody heisst und als Ölgemälde in der Eingangshalle in der Zürcher Villa von Dr. Peter Stotz hängt.
Ihr spurloses Verschwinden am Hochzeitstag überschattet das Leben von Dr. Stotz ein Leben lang. Mit 84 Jahren beginnt er Tom, seinem neuen Nachlassverwalter, von seiner grossen Liebe zu erzählen: «Melody! So war sie auch: eine Musik, die durch den Raum schwebt und alle zum Träumen bringt.»
Melody war sein erster Gedanke am Morgen, sein letzter am Abend und fast sein einziger dazwischen. Doch welche Gründe treiben Dr. Stotz an, diese Frau derart zu vergöttern? Steckt dahinter Imagepflege, sich als grosser, unglücklicher Liebender gesellschaftlich in Szene zu setzen?
Stotz war eine wichtige Persönlichkeit gewesen: Nationalrat, Königsmacher, Geldgeber. Ein eitler Typ, der immerzu bedacht war, der Welt ein bestimmtes Bild von sich zu vermitteln. Als er überraschend stirbt, macht sich Tom auf, die Wahrheit herauszufinden.
Ein Geheimnis, das keines ist
Martin Suter will in seinem Roman «Melody» Liebe und Spannung vereinen. Doch mit Sätzen wie «Ich liebe die Fiktion entschieden mehr als die Realität» lässt Martin Suter allzu früh erahnen, dass sein Dr. Stotz mehrere Gesichter hat und kein glaubwürdiger Erzähler ist.
Zudem läuft die Geschichte schleppend an, hängt in der Mitte durch, um am Ende den Lesenden nur mehr ein müdes «Ach so» zu entlocken. Doch wenigstens essen Suters Protagonisten gut: als Vorspeise Catalogna mit Mozzarella di Bufala und Sardellen, als Hauptgang Pasta e Fagioli mit Miesmuscheln. So kommt man immerhin kulinarisch auf seine Kosten.