Blut könne sie nicht sehen, sagt die rumänisch-schweizerische Schriftstellerin Dana Grigorcea. Einen blutrünstigen Roman schreiben - das konnte sie aber allemal.
In «Die nicht sterben» holt Grigorcea Graf Dracula aus der Gruft, den berühmteste Untoten der Kulturgeschichte. Da er in Transsilvanien haust, hat Rumänien ein besonders inniges Verhältnis zum Fürsten der Finsternis, wie Dana Grigorcea weiss.
Vampire leben länger
Der kommunistische Diktator Nicolae Ceauşescu, der als Oberblutsauger sein Land während seiner 40-jährigen Herrschaft in Armut gestürzt hatte, wurde 1989 zwar hingerichtet. Doch seither treiben neue einflussreiche Vampire ihr Unwesen in Rumänien.
Mit viel Korruption und zwielichtigem Geschäftsgebaren wirtschaften sie in die eigene Tasche. Sie sehen sich als gute Patrioten und stellen sich gerne in eine Traditionslinie mit grossen nationalen Führergestalten.
Vlad, das Vorbild Draculas
Schon «Vlad der Pfähler» gehörte dazu. Der Fürst aus dem 15. Jahrhundert, trieb den Rückgratlosen einen Pfahl durch den Körper, damit sie endlich ein Rückgrat hatten. Mit starker Hand beseitigte er das Chaos und die Feinde des Landes.
«Vlad der Pfähler» gilt wiederum als ein historisches Vorbild für die heute populärste Gruselfigur Rumäniens: den legendären Graf Dracula. Beide treibt letztlich die Rache an.
Aus beiden Führerfiguren will man in Rumänien Kapital schlagen. Das von windigen Geschäftsleuten und Tourismus-Stellen geplante Projekt eines gigantischen Dracula-Parks in schützenswerter Landschaft ist allerdings am Widerstand der Bevölkerung gescheitert.
Geister der Vergangenheit
Von all dem erzählt Dana Grigorcea in ihrem neuen Roman. 1979 in Bukarest geboren, hat sie die Jahrzehnte nach der politischen Wende im Jahr 1989 direkt miterlebt. Auch, weil sie den Kontakt zu ihrem Heimatland nicht abgebrochen hat, als sie der Liebe wegen in die Schweiz zog.
In «Die nicht sterben» zeigt sie, was mit einer Gesellschaft geschieht, die lieber schlechte Geister der Vergangenheit weckt, als sich der Gegenwart zu stellen. Der Roman ist also weit über Rumäniens Landesgrenzen hinaus aktuell.
Sehnsucht nach dem starken Gebiss
Dana Grigorcea lässt ihre Hauptfigur, eine junge Malerin, in ein Städtchen südlich von Transsilvanien zurückkehren.
Ein Familienclan beherrscht die Gegend und geht buchstäblich über Leichen, um den Tourismus mit einem Dracula-Park anzukurbeln. Nur als rächende Vampirin könnte die Protagonistin das Machtmonopol des Clans brechen.
Mit Witz und poetischer Kraft versetzt Dana Grigorcea uns in die Situation, dass wir uns plötzlich selbst nach einer starken Hand beziehungsweise einem starken Gebiss sehnen, damit sich jedes erlittene Unrecht rächen lässt.