Wer kennt sie nicht, die «Lustigen Taschenbücher» mit Entenhausen-Comics! Seit den 1960er-Jahren sind sie zu Hunderten erschienen, bei der «Egmont Ehapa Media GmbH». Das Berliner Verlagshaus kämpft seit Jahren mit rückläufigen Umsätzen.
Unbekannte Vorgeschichte
Jetzt bringt es eine völlig neue Reihe mit den in Entenhausen domizilierten Figuren heraus. Es geht um deren bislang unbekannte Vorgeschichte in Kindheit und Jugend. Die neuen Bände sind keine klassischen Comics, sondern Comic-Romane – im Fachjargon Graphic Novels.
Diese arbeiten mit deutlich weniger Bilder, dafür mit mehr Text. Sie stellen innerhalb der Welt der Comics eine eigenständige Kunstform dar und heben sich in Gestaltung und Anspruch oft von der Comic-Massenware ab.
Mehr Text, weniger Bilder
In den über 200 Seiten dicken beiden ersten Bänden, die jetzt im Handel sind, gibt es denn auch keine Rasterung mit Bildkasten und Sprechblasen.
Auf den einzelnen Seiten finden sich höchstens noch zwei bis drei bunte Zeichnungen, welche das bekannte Disney-Personal darstellen. Dazwischen gibt es längere Texte, welche die Handlung vorantreiben.
Im ersten Band geht es um Donald Ducks Kindheit: Wie er als 12-Jähriger in eine Elitenschule eintritt und dort für allerlei Aufregung sorgt. Im zweiten um Minnie und Daisy als Studentinnen an der Emelrich-Erpel-Universität: Dort retten sie die Welt vor Verschwörungen.
Fehlende Einheit von Text und Bild
Der Comic-Experte Cuno Affolter beurteilt die beiden Bände kritisch. Er ist Konservator am «Centre BD (Bande Dessinée)» in Lausanne, Europas zweitgrösster Comics-Sammlung.
Die Bücher seien eigentlich «klassische Bilderbücher», die mit etwas mehr Bildern und mit Texten angereichert seien «für Jugendliche im Primarschulalter». Zudem sei die Funktion der Bilder unklar: «Die Zeichnungen könnte man genauso gut in schriftliche Dialoge fassen.»
Laut dem Comic-Experten fehlt damit eines jener zentralen Merkmale, die Graphic Novels auszeichnen: dass Text und Bild eine harmonische Einheit eingehen und sich spielerisch ergänzen.
Hinzu kommt, dass – im Unterschied zum Originalcomic – bei den Zeichnungen in den Romanen die Pastelltöne dominieren – und bei der Lektüre einen etwas gar süssen Eindruck vermitteln.
Stöbern in der der Kindheit
Wenig originell findet es Comic-Experte Cuno Affolter schliessich, die Vorgeschichte bekannter Comic-Figuren aufzurollen: «Das wurde in Frankreich schon mit Lucky Luke versucht, oder mit Asterix. Mit den Originalfiguren hatte dies nie viel zu tun.»
In den aktuellen Graphic Novels vermisse er beispielsweise, «dass sich Donald Duck ursprünglich gegen alle Konventionen gesträubt hat und dabei äusserst aggressiv werden konnte». Immerhin hätten die beiden Comic-Romane jedoch das Potenzial, Kinder zum Lesen zu verleiten. «Das ist per se gut.»
Hoffnung auf Umsatz
Davon dürfte nicht zuletzt auch der Ehapa-Verlag selbst profitieren. Die Comics-Branche steht seit Jahren unter enormem Konkurrenzdruck. Internet und Videogames sind bei Kindern und Jugendlichen längst die beliebteren Unterhaltungsmittel als die klassischen Comics.
So gesehen ist die neue Graphic Novel-Reihe zweifelsohne auch der Versuch der Comics-Industrie, Gegensteuer zu geben gegen den allgemeinen Trend. Und damit dem eigenen Geschäftsmodell eine Zukunft zu ermöglichen.