Worum geht es in Feldmans neuester Autobiografie? «Judenfetisch» ist komplizierter als ihre beiden Vorgängerwerke. Es geht nicht nur um ihre eigene Lebensgeschichte. Feldman reflektiert ihre Umgebung und die Schwierigkeit, sich darin als selbstverständlich jüdisch zu sehen. Das Religiöse hat sie längst hinter sich gelassen und fragt nun, was dann noch bleibt. Ein säkulares, kulturelles Judentum – wie geht das genau?
Worin liegt der Knackpunkt dieses Konflikts? In dem Buch schreibt Deborah Feldman: «Wenn es keine Religion mehr gibt, dann gibt es nur noch entweder Israel oder den Holocaust. Die Tradition an sich reicht selten ohne die religiöse Überzeugung.» Um sich jenseits der Religion mit dem Judentum zu identifizieren, beziehen sich säkulare Juden und Jüdinnen oft auf Israel. Das sind meist Menschen, die dort leben. Oder aber, das Jüdischsein wird über die Shoah definiert: über den Verlust und stets mit Blick zurück in die Geschichte und die Erinnerungen daran.
Ist diese Identifikation mit der Shoah problematisch? Nein, aber Feldman kritisiert, dass insbesondere in Deutschland sich viele zu sehr über die Shoah identifizieren würden. Somit würde eine individuelle Auseinandersetzung mit dem durchaus auch religiösen Judentum verunmöglicht. Feldman kritisiert vor allem Jüdinnen und Juden, die in der Öffentlichkeit stehen sowie konvertierte jüdische Personen.
Warum werden genau diese Gruppen im Buch kritisiert? Laut Feldman ziehen diese Menschen eine Art Profit aus ihrer Verlustgeschichte. So bekomme ein bekannter Intellektueller oder eine Verlegerin – einfach aufgrund ihres Jüdischseins – mehr Aufmerksamkeit in Deutschland. Schlussendlich fördere auch die Politik aufgrund der Geschichte alles Jüdische und sei sehr darum bemüht, ein lebendiges Judentum zu kultivieren.
Ist das eine Art positive Diskriminierung? Philosemitismus wird heute als die andere Medaillenseite des Antisemitismus betrachtet, also eine wohlwollende Haltung gegenüber Jüdinnen und Juden: die gezielte Förderung jüdischer Museumsarbeit oder jüdischer Studiengänge und Ausbildungsplätze etwa. Das kann auch zu Konflikten unter Jüdinnen und Juden führen, zum Beispiel zwischen Alteingesessenen und neu Hinzugezogenen oder Konvertierten. Oft stellt sich die Frage: Wer bekommt mehr Geld, mehr Macht?
Worum geht es Deborah Feldman mit ihrem Buch? Es geht ihr einerseits um eine innerjüdische Auseinandersetzung. Andererseits um eine gesamtgesellschaftliche Dynamik und darum, inwiefern Ansprüche und Wünsche von aussen wiederum Jüdinnen und Juden beeinflussen. Das erklärt auch den etwas hart anmutenden Titel des Buches «Judenfetisch», weil das Jüdischsein so oder so objektiviert und überhöht werde. Dagegen wehrt sich Feldman dezidiert.
Was ist der Gesamteindruck des Buches? Anregend ist diese beschriebene Auseinandersetzung rund um jüdische Identität. Die Lesenden werden in ihren Denkgewohnheiten herausgefordert. Streckenweise hat das Buch aber auch viele Anekdoten und Themen, bei denen man sich fragt: Worum genau geht es jetzt? Manchmal scheint Feldman zu pauschalisierend oder schubladisierend – etwas, wogegen sie eigentlich ankämpft.