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«Der heutige Tag»: Neues Buch von Helga Schubert
Aus Kultur-Aktualität vom 27.03.2023. Bild: IMAGO/Eberhard Thonfeld
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Neues Buch von Helga Schubert Leben mit schwerkrankem Mann: «So darf ein Leben doch ausatmen»

Seit Jahren pflegt die Bachmann-Preisträgerin Helga Schubert ihren 96-jährigen Mann zu Hause. Ihr neues Buch handelt vom kräftezehrenden Fürsorgealltag – und von tiefer Liebe.

Helga Schubert hat ihrem Mann versprochen, dass er zu Hause bleiben kann. Und dass er zu Hause sterben kann. «Dieses Versprechen werde ich auch halten», erklärt sie. «Solange er noch hier ist, will ich es ihm so schön wie möglich machen. Er soll sich abends auf den nächsten Tag freuen können.»

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Aus dem Archiv: Helga Schubert gewinnt den Bachmannpreis
aus Kultur kompakt vom 22.06.2020. Bild: SRF / Sebastien Thibault
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Die deutsche Schriftstellerin ist 83. Ihr Mann ist deutlich älter: 96 Jahre alt, schwer herz- und nierenkrank, dement und pflegebedürftig. Die Autorin sorgt rund um die Uhr für ihn.

Ihr Tag beginnt damit, dass sie den Bettbeutel seines Blasenkatheters leert und nachschaut, ob seine Windel nass ist. Zum Schreiben kommt sie nur nachts.

Liebe und Überforderung zugleich

Nun hat die Autorin eine Erzählung über ihren kräftezehrenden Pflegealltag verfasst. Mit «Der heutige Tag» beweist Helga Schubert einmal mehr, was für eine herausragende Erzählerin sie ist. Es gelingt ihr, mit ihren Worten unglaublich zu berühren – ohne den leisesten Hauch von Kitsch.

Buchhinweis

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Helga Schubert: «Der heutige Tag. Ein Stundenbuch der Liebe». Dtv, 2023.

In mal längeren, mal kürzeren Kapiteln erinnert sie sich daran, wie sie ihren Mann vor über 60 Jahren kennengelernt hat. Sie blickt zurück auf ihre glückliche Ehe, um dann immer wieder bei ihrer jetzigen Situation anzukommen, in der sie ihren Mann, wenn er fällt, irgendwie zurück in den Rollstuhl hieven muss.

Nie kann sie einfach mal so das Haus verlassen. Will sie eine Lesung halten, bedeutet es enormen Aufwand, jemanden zu finden, der sie ablöst. Denn das Paar lebt sehr abgeschieden in einem Dorf in Norddeutschland.

Alte Frau mit mittellangen grauen Haaren die lächelt
Legende: Mit «Vom Aufstehen» gewann Schubert 2020 den Bachmann-Preis. Der Text handelt von Schuberts schwerem Verhältnis zu ihrer Mutter. Renate von Mangoldt

Schubert legt in ihrem Buch offen, wie kräftezehrend dieser Alltag für sie ist. Gleichzeitig ist die Erzählung aber alles andere als deprimierend. Sie ist durchzogen von der Liebe und der Achtung, die die Autorin für ihren Mann empfindet. Und von der Dankbarkeit über die schöne, lange Zeit, die sie miteinander hatten.

Zusammen in einer anderen Welt

Zudem beschreibt Helga Schubert auch viele komische Situationen. Etwa, wenn sie sich darauf einlässt, im Februar Weihnachten zu feiern, weil ihr Mann der festen Überzeugung ist, dass Heiligabend sei.

Helga Schubert und der Bachmann-Preis

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Legende: Helga Schubert im Jahr 1990 IMAGO/teutopress

Helga Schubert, Jahrgang 1940, war in der DDR eine renommierte Autorin. Nach der Wende wurde es still um sie. 2020 trat sie dann plötzlich wieder in die literarische Öffentlichkeit – und zwar beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb. Mit ihren damals 80 Jahren war sie die älteste Teilnehmerin, die es bei dem Wettlesen in Klagenfurt je gegeben hat. Sie entschied das Rennen schliesslich für sich.

Helga Schuberts Verbindung zum Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb hatte bereits eine interessante Vorgeschichte: 1980 war sie schon einmal als Kandidatin eingeladen worden. Allerdings erhielt sie keine Ausreisegenehmigung aus der DDR und konnte nicht teilnehmen. Später gehörte sie für einige Zeit selbst der Bachmann-Preis-Jury an.

«Für mich ist es schwer auszuhalten, dass er immer öfter in eine andere Welt abdriftet», erklärt Schubert. «Aber ich versuche nicht mehr, dagegen anzukämpfen, sondern ihm dahin zu folgen.»

«Der, den ich liebe»

Ihr Mann war einst als Professor für klinische Psychologie tätig. Später hat er sein Hobby, die Malerei, zum Beruf gemacht und fast 1400 Bilder gemalt.

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«Vom Aufstehen» von Helga Schubert
Aus Literaturclub vom 06.04.2021.
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Im Buch nennt Helga Schubert ihren Mann an keiner Stelle bei seinem richtigen Namen. Stattdessen hat sie sich einen ausgedacht: Derden. Das stehe für «der, den … ich liebe», erklärt sie. «Ich musste einen Namen erfinden, um auf Distanz zu meiner Situation gehen zu können. Nur so konnte ich das Ganze erzählbar machen.»

Ein poetischer Abschied

«Der heutige Tag» ist eine Liebeserklärung an den Partner. Ein poetisches Abschiednehmen.«Ein bisschen Sahnejoghurt im Schatten, eine Amsel singt, Stille. So darf ein Leben doch ausatmen», schreibt Schubert.

Sie hat ihr Buch «Der heutige Tag» genannt, weil sie sich bloss noch aufs Hier und Jetzt konzentriert. Nur der Moment zählt. Denn am nächsten Tag kann alles anders sein.

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Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 27.03.23, 07:06 Uhr

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