Es ist das Jahr 1968 und die Badeanstalt liegt irgendwo in der aargauischen Provinz. In der neu gegründeten Firma herrscht ein Geist der Solidarität. Und ganz erstaunlich: Der Verwaltungsrat ist nicht auf Gewinnmaximierung aus. Im Gegenteil, er torpediert Massnahmen, welche die Belegschaft zu mehr Leistung anspornen sollen.
Das entsprach dem damaligen Zeitgeist, meint Klaus Merz. Heute wäre das wohl nicht mehr so. Er wünschte sich aber, man hätte etwas von diesem Geist in die heutige Zeit retten können.
Eine ungewöhnliche Firmenchronik
Mit «firma» blickt Klaus Merz auf 50 Jahre seines Schriftstellerlebens zurück. Es ist aber keine Autobiografie. Es sind Erinnerungen des Autors, verpackt in einen fiktiven Firmenalltag. Eingebettet sind diese Erinnerungen auch in das Zeitgeschehen.
Klaus Merz hat dafür eine spezielle Form gefunden. Eine Art Firmenchronik mit Miniaturtexten, die alle mit Datum versehen sind.
Zeitgeist schwingt mit
Am 2. September 1971 steht zum Beispiel in der Chronik, dass neben der Firma eine Minigolfanlage entsteht. Plötzlich ist das Gelände von Sportbegeisterten bevölkert, die mit Golfschlägern herumfuchteln. Da wird eine Schweiz der 1970er-Jahre wieder präsent, als Familien ihre Sonntage auf Minigolfplätzen verbrachten.
Oder die Schirmbildaktionen im Eintrag vom Mai 1972, als der Röntgenbus vor dem Firmengelände vorfuhr. Da erinnert man sich, wie sich neben Firmenbelegschaften auch ganze Schulklassen oben frei machten und im Röntgenwagen die Lungen durchleuchten liessen.
Das ist das Schöne an der Lektüre dieses kleinen, feinen Buches. Es sind manchmal nur einzelne Sätze oder Bilder, die eine Schweiz heraufbeschwören, die es heute nur noch in der eigenen Erinnerung gibt.
Der Tolle mit der Tolle
Klaus Merz flicht in den Firmenalltag auch epochale Ereignisse ein. Etwa der Fall der Berliner Mauer im November 1989 oder das Attentat in New York am 11. September 2011. Aber er legt den Fokus auch an diesen Tagen auf die Firma. Das Nahe ist wichtiger als das Ferne.
Das Weltgeschehen findet nur in Andeutungen, oder in Nebensätzen statt. Etwa die Inauguration von Donald Trump im Januar 2017. Da ist lediglich von einer blonden Tolle die Rede. Der Name Trump wird dabei nicht erwähnt. Klaus Merz meint dazu trocken: Passt doch, er ist ja auch ein Toller.
Die Bäckerei als Figuren-Reservoir
Interessant ist, wo und wie Klaus Merz die Belegschaft seiner Firma rekrutiert hat. Aus der Kindheit nämlich, in der Bäckerei seiner Eltern. Da stand er als Jugendlicher hinter der Theke und verkaufte Brötchen.
Damals hat er die Kunden nach Brottypen eingeteilt: den Vierpfünder, das Bircher-Benner-Brot oder das Weggli. Und so seien, sagt Klaus Merz, die Kunden aus der Bäckerei auch zur Kundschaft seines Schreibens geworden. Und er geht noch weiter, er vergleicht die Tätigkeit in der Bäckerei der Eltern mit dem Schreiben von Prosa und Gedichten.
Ein typischer Merz
Schweizer Mentalität, Börsenkurven und Politik. Vieles wird in dem schmalen Buch von Klaus Merz verhandelt, mal in Prosa, mal in Gedichten. Es ist ein Buch der knappen Worte und der leisen Töne. Verschmitzt und poetisch.
Und wenn Kritik an den heutigen Zuständen in Politik und Wirtschaft da und dort durchschimmern, dann verhalten und diskret. Typisch Merz eben. Deshalb steht auch am Schluss des Buches die Bemerkung: «gez km». Gezeichnet Klaus Merz.