Der Streit brach im Dezember aus: 60 Mitglieder des russischen Autorenverbands PEN schrieben einen offenen Brief an Wladimir Putin. Mit der Bitte, den ukrainischen Regisseur Oleg Senzow zu begnadigen. Senzow war nach der Krim-Annexion festgenommen und zu 20 Jahren Haft wegen Terrorismus verurteilt worden.
Die PEN-Führung distanzierte sich von dem Brief. In der Folge traten rund 30 Autoren aus dem Verband aus. Ihnen schliesst sich nun auch die Literaturnobelpreis-Trägerin Swetlana Alexijewitsch an.
Früher Stolz, heute Scham
Die weissrussische Autorin wirft dem Verband vor, dass er nicht gegen die Unterdrückung der freien Meinungsäusserung eintritt. «Sie lecken die Stiefel der Machthaber», warf die Nobelpreisträgerin dem Verband vor.
«In den Perestroika-Jahren waren wir stolz auf unseren PEN, jetzt schämen wir uns. So kriecherisch verhielten sich russische Schriftsteller nur zur Stalin-Zeit».
Wo bleibt die Freiheit des Wortes?
Warum sie den Verband gerade jetzt verlässt? «Der russische PEN hat feige all das aufgegeben, wofür er gegründet wurde: Dass wir dem Guten, der Freiheit des Wortes dienen sollen», antwortete Alexijewitsch gegenüber dem Spiegel. Die russischen Schriftsteller hätten sich in zwei Lager gespalten – im PEN-Club hätte die dunkle Seite gesiegt.
Damit meine sie die Patrioten, die sogenannten Staatsleute und Grossmacht-Anhänger. «Sie unterstützen das, was in der Ostukraine passiert, die Kämpfe der Separatisten, die russische Besetzung der Krim, Russlands Kriegseinsatz in Syrien. Sie stehen absolut hinter Putins Politik.»
Eine bizarre Behauptung
Der PEN-Club reagierte auf den Austritt der Autorin mit einer bizarren Behauptung: Swetlana Alexijewitsch sei nie Mitglied im russischen PEN gewesen.
Daraufhin veröffentlichte der Journalist Sergej Parchomenko Links zu den archivierten Webseiten des russischen PEN. Sie beweisen, dass Alexijewitsch mehrmals in der Mitgliederliste aufgeführt wurde. Inzwischen wurde ihr Name aus den Listen von 2014 und 2015 gestrichen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kulturnachrichten, 19.1.2016, 6.02 Uhr