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Paulo Coelho – Top oder Flop?
Aus Kultur Extras vom 26.08.2017.
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70. Geburtstag Paulo Coelho – esoterischer Stuss oder Lesegenuss?

Paulo Coelho wird 70. Warum ist der brasilianische Autor so beliebt? Wir haben bei vier Personen nachgefragt, die es wissen müssen. Und bei den Leserinnen und Lesern.

Annette König, SRF-Buchbloggerin

Annette König
Legende: Annette König war mal begeistert – dann enttäuscht. SRF

Was haben Sie gelesen von Paulo Coelho?

Vor 20 Jahre waren es «Der Alchimist», «Auf dem Jakobsweg» oder «Am Ufer des Rio Piedra sass ich und weinte». Und erst neulich habe ich den Roman «Untreue» gelesen.

Wie haben Ihnen die Bücher gefallen?

Die Bücher von vor 20 Jahren enthalten am meisten Paulo-Coelho-Essenz. Es sind Bücher, die einem innehalten lassen. Und vor Augen führen: Das Leben ist zu kurz, um Zeit zu verplempern – man muss seinen Traum leben.

Aber das neuere Buch, «Untreue», hat mich ohne Ende aufgeregt. Coelho schreibt dort über den Ehebruch einer Journalistin. Die Frauenperspektive überzeugt nicht, die Sex-Stellen klingen nach einem in die Jahre gekommen, lüsternen Mann.

Das Ganze endet in einer biblisch anmutenden Predigt über die Liebe: Das klang mir zu altbacken und zu sehr nach Hollywood.

Buchhinweis

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Paulo Coelho: «Der Weg des Bogens», Diogenes, erscheint am 27.9.17.

Warum ist Coelho so beliebt?

Es gibt «Fast Food»- und «Slow Food»-Literatur. Coelho ist unter den Philosophen «Easy Food», also leichte Kost. Seine verständlichen Lebensweisheiten sprechen viele an. Denn man kann diese auf den eigenen Alltag übertragen.

Und warum ist er bei vielen so unbeliebt?

Wenn jemand die Massen anspricht, dann ist er per se suspekt. Und Coelho wiederholt seine Kernaussagen auch immer wieder. Sie enthalten keine anspruchsvolle Philosophie – aber das erwartet man bei ihm auch gar nicht.

Aline Hasler, Buchhändlerin (Olymp & Hades)

Coelhos grösster Erfolg: «Der Alchemist».
Legende: Coelhos grösster Wurf ist für viele «Der Alchimist». Keystone

Was haben Sie gelesen von Paulo Coelho?

Ich habe «Der Alchimist», «Die Hexe von Portobello», «Die Schriften von Accra» und «Die Spionin» gelesen.

Wie haben Ihnen die Bücher gefallen?

Mir gefällt die Philosophie, die in seinen Büchern zum Vorschein kommt und die für mich sehr nachvollziehbar ist. Beim «Alchimist» etwa ist es die Idee des Lebensweges, die mich anspricht: Man ist stets auf der Suche nach etwas, und findet es am Ende dort, wo man mit der Suche begann. Dieses Spirituelle sagt mir zu.

Warum ist Coelho so beliebt?

Das liegt wohl an der einfachen Sprache mit der er seine Ideen vermittelt: Er sieht das Miteinander, das Gute in der Welt und bringt so etwas Mystisches und Positives in den Alltag.

Ich empfehle Coelho auch in der Buchhandlung gerne. Gerade wenn Leute an der Schwelle zu einem neuen Lebensabschnitt stehen.

Michael Luisier, SRF-Literaturredaktor

Michael Luisier
Legende: Michael Luisier bleibt ein Sturm besonders in Erinnerung. SRF

Was haben Sie gelesen von Paulo Coelho?

Ich habe eine Weile lang sehr viel von ihm gelesen. Das ist etwa 20 Jahre her, in der Zeit als er den «Alchimisten» geschrieben hat. Damals habe ich eigentlich Jahr für Jahr das neue Buch gelesen.

Wie haben Ihnen die Bücher gefallen?

Mich haben seine Inhalte interessiert, seine spirituellen Texte. Insbesondere wie Coelho komplexe, innere Zustände in Geschichten überträgt. Es ging mir weniger um ein literarisches Vergnügen. Viel eher um die Frage, wie er es hinkriegt, Dinge zu beschreiben, die eigentlich nicht zu beschreiben sind.

Am Ende des «Alchimisten» findet Coelho etwa ein Bild für das Unsagbare in der Seele eines Menschen: Ein Sturm, bei dem alle physikalischen Gesetze aufgelöst werden.

Warum ist Coelho so beliebt?

Ich glaube gerade darum. Weil er sich vorgenommen hat, in Metaphern, Fallbeispielen und Gleichnissen Dinge zu erzählen, die nicht zu erzählen sind. Das erinnert an die Bibel, die ja nicht anderes ist als eine Sammlung an solchen Geschichten. Und: Damit trifft er eine spirituelle Sehnsucht, die viele Menschen haben, die aber in der Literatur kaum befriedigt wird.

Und warum ist er bei vielen so unbeliebt?

Aus absolut demselben Grund. Ich glaube es gibt ein grosses Misstrauen gegenüber spirituellen Ansätzen. Zum Teil auch berechtigt, es gibt schliesslich auch esoterische Quacksalber. Coelho hat zudem wahnsinnigen Erfolg, was ihm als Scharlatanerie ausgelegt wird.

Ich höre immer wieder die Aussage: «Ich lese keinen Coelho – und ich find ihn Quatsch». Ich lese heute auch nicht mehr, denn ich hab verstanden, was er sagen will. Aber so zu urteilen, das geht nicht. Das ist nicht fair.

Anna von Planta, Lektorin Diogenes Verlag

Anna von Planta
Legende: Anna von Planta liest jedes von Coeolhos Büchern. Privat

Was haben Sie gelesen von Paulo Coelho?

Als seine Lektorin im deutschen Sprachraum habe ich logischerweise alle seine Werke gelesen. Wie für die meisten Menschen war es «Der Alchimist», mit dem für mich alles begann.

Wie haben Ihnen die Bücher gefallen?

«Der Alchimist» war eine Lektüre, die mich umgehauen hat. Ein französischer Freund hatte bei einem Kindergeburtstag in Genf so intensiv auf mich eingeredet, dieses Buch müsse ich lesen, dass ich es mir ausborgte. Er gab mir Zeit bis zum nächsten Morgen. Das Gefühl dieser ersten nächtlichen Lektüre hat mich seither nie mehr verlassen.

Warum ist Coelho so beliebt?

Paulo Coelho hat die Fähigkeit, die Themen und Nöte anzusprechen, die uns alle angehen. Und er kleidet sie in einfache Fabeln, von denen sich Millionen von Menschen angesprochen fühlen.

Nicht umsonst ist er der Autor mit weltweit den meisten Followern in den sozialen Medien. Bei Signierstunden fällt mir immer wieder auf: Es lesen ihn Intellektuelle ebenso wie Menschen, die sonst kaum je ein Buch lesen. Insofern ist er auch ein Türöffner.

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Sendung: SRF 1, Glanz & Gloria, 24.8.17, 18:40 Uhr

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