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Per Olov Enquist: Ein scheuer Beobachter grosser Gefühle
Aus Kultur-Aktualität vom 27.04.2020.
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Per Olov Enquist gestorben Ein scheuer Beobachter, der Bestseller schrieb

Der schwedische Autor Per Olov Enquist ist tot. Er prägte die Gegenwartsliteratur mit seinen so präzisen wie packenden, persönlichen wie universalen Geschichten.

Wäre er nicht selber Schwede gewesen – und einer, der politisch unbestechlich war und sich zeitlebens eingemischt hat –, hätte man ihm wohl den mittlerweile ramponierten Literatur-Nobelpreis zugestanden.

Verdient hätte Per Olov Enquist ihn für seine grandiosen Romane, spektakuläre Dramen, einfühlsamen Biografien und eigenwilligen Essays. Für sein hochstehendes Gesamtwerk, das existentielle Fragestellungen in unvergesslichen Geschichten umkreist – sensibel und unerbittlich, nüchtern und poetisch zugleich.

Packender Bestseller

Vor zwanzig Jahren schrieb Enquist seinen Weltbestseller «Der Besuch des Leibarztes». Ein luzider und leidenschaftlicher Roman über die gescheiterte dänische Revolution unter Johann Friedrich Struensee und dessen kühner Liebe zur blutjungen Königin Caroline Mathilde.

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Wiedergelesen: Per Olov Enquist
aus BuchZeichen vom 08.07.2011.
abspielen. Laufzeit 27 Minuten 52 Sekunden.

Ein packender Stoff, mit reflexiver Tiefe und eleganter Musikalität gestaltet, der von einer gelebten Utopie und von Grundfragen der Aufklärung handelt.

Von der Provinz an den Broadway

Aufgewachsen ist Enquist in Hjoggböle, 1000 Kilometer nördlich von Stockholm, in einem engen, streng pietistischen Umfeld. Als einer der ersten aus dieser Region hat er im Süden des Landes studiert.

Dazu war er Spitzensportler und Journalist. Sein souverän recherchierter Dokumentarroman über einen politischen Skandal der Nachkriegszeit («Die Ausgelieferten») katapultierte ihn 1968 ins Zentrum kultureller und politischer Debatten.

Dabei verstand sich der stets freundliche Skeptiker Per Olov Enquist als «scheuen Beobachter», der gerade durch diese Zurückhaltung mehr sah als andere. Seine Texte sind stets erfahrungsgesättigt und voller Fantasie.

Flucht aus der Sucht

Nach grossen Erfolgen auch am Theater und Aufenthalten in Berlin, in den USA, Paris oder Kopenhagen, schlitterte der sensible Selbstbefrager in den Achtzigerjahren in eine schwere Krise. Ein leiser Sinkflug in den Alkoholismus begann.

Diese und weitere Schlüsselszenen seiner Biografie hat der Autor später im Buch «Ein anderes Leben» (2009) aufwühlend und unerbittlich beschrieben. Darin rettet sich der Süchtige zuletzt selbst mirakulös, indem er in den Strümpfen über den Schnee in Island aus einem entmündigenden Entzug flieht. Es liest sich atemraubend.

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Aus dem Archiv: «Ein anderes Leben» von Per Olov Enquist:
Aus Literaturclub vom 19.05.2009.
abspielen. Laufzeit 16 Minuten 32 Sekunden.

«Man musste sich wohl auf die eigenen Beine stellen»: Dies gelingt Per Olov Enquist auch dank der Unterstützung der Familie. Ab dem 6. Februar 1990 vollständig trocken, explodiert in den folgenden Jahrzehnten seine Produktivität förmlich: «Kapitän Nemos Bibliothek», «Das Buch von Blanche und Marie» aber auch das grossartige Kinderbuch «Grossvater und die Wölfe» lauten einige Titel.

Die Kraft der Gefühle

Den letzten Glanzpunkt seines ungeheuer reichen Schaffens hat Enquist uns vor sieben Jahren mit «Das Buch der Gleichnisse» geschenkt. Die hinreissende Liebesgeschichte erzählt von der erotischen Initiation eines 15-jährigen Jungen in der Einsamkeit und religiösen Enge eines schwedischen Dorfes durch eine 51-jährige Fremde aus Stockholm.

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«Das Buch der Gleichnisse» von Per Olov Enquist
aus 52 Beste Bücher vom 25.08.2013. Bild: Peter-Andreas Hassiepen
abspielen. Laufzeit 57 Minuten 40 Sekunden.

Ein Buch über die Kraft der Gefühle ebenso wie über diesseitige Freiheit und über die Macht der Schönheit und der Kunst. Darin findet sich auch ein melancholischer Ausblick auf Alter und Tod.

Jetzt trauern wir um den grossen Autor. Per Olov Enquist starb im Alter von 85 Jahren nach längerer Krankheit, wie seine Familie am Wochenende mitteilte. Sein Werk bleibt.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 27.4.2020, 7:20 Uhr

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