Stefanie Sargnagel sitzt vor ihrer Melange und dreht sich eine Zigarette. Wir sind im Café Weidinger in Wien verabredet, hier ist sie Stammgast. Auf Facebook schreibt die 31-Jährige über ihren Alltag. In ihren Zweizeilern ist sie schlecht gelaunt, dagegen, gelangweilt und gibt sich keine Mühe, orthografische Grundregeln einzuhalten.
Heute erscheint im Rowohlt Verlag ihr Buch «Statusmeldungen». Auf dreihundert Seiten gesammelte Facebookposts von Sargnagel, ergänzt mit selbstgezeichneten Cartoons.
«Ich weiss nicht, ob ich jetzt auch noch Bücher machen muss», schaut sie mich ehrlich fragend an. Sie versteht sich als Humoristin und nicht als Autorin, aber mit dem Buch kann sie Geld verdienen und hat sich dann doch auf das Angebot vom Verlag eingelassen.
Opfer sexistischer Hetze
2016 wurde sie zum Ingeborg Bachmann-Wettlesen nach Klagenfurt eingeladen und gewann den Publikumspreis. Die Befindlichkeitsprosa aus dem Internet wird heute als weibliche Selbstbehauptung gehandelt. Und das Feuilleton interessiert sich für die Wienerin.
«Erst seit ich vom Feuilleton entdeckt wurde, wo mein Geschlecht und Aussehen thematisiert wurden, ist das ein stärkeres Thema für mich», erzählt mir die Frau, von der erwartete wird, dass sie sich für derbe Texte rechtfertigt.
Von Links geliebt, von Rechts gehasst
Ihre Texte sind heute nicht nur feministischer, sondern auch politischer. «Ich hätte früher nie einen politischen Artikel gepostet, weil ich dachte, mich lesen eh nur Linke und Hipster, aber jetzt wo mein Publikum breiter ist, mache ich das und denke, es kann nicht schaden.»
Das ist mutig, denn Stefanie Sargnagel wird von Links geliebt und von Rechts gehasst. «Frauen, die Raum einnehmen, sind immer noch eine Provokation.» Sie weiss, was in den Onlinekommentaren herrscht: die entfesselte Wut und der kalte Hass.
Der Verfassungsschutz ermittelt
«Ich finde es immer grauslich, wenn eine Masse gehässige Sachen schreibt.» In einem absurden Ausmass ist das in diesem Frühling passiert. Wegen einer satirischen Reportage aus Marokko, in der Dinge standen wie: «Mit dem Muezzin geknutscht.»
Das österreichische Boulevardblatt «Neue Kronen Zeitung» rief zur Hetze gegen Sargnagel auf. In Onlinekommentaren wünschte man ihr Vergewaltigung, Hinrichtung und veröffentlichte ihre Adresse. Heute ermittelt der Verfassungsschutz und Sargnagel erholt sich von einem Hörsturz, den sie dadurch erlitten hat.
Aber sie lässt sich nicht aufhalten. Im Gegenteil. Stefanie Sargnagel äussert sich erst recht zu Nazis, Flüchtlingen und zur Geschlechterdiskriminierung.
Höflich und zurückgenommen
Viele stellen Sargnagel als Schreihals dar. Doch mir gegenüber sitzt eine zurückgenommene Frau. Durch die beachtliche Reichweite hätten sich ihre Texte schon verändert. «Ich kann nicht mehr ungezwungen Menschen karikieren, wenn ich weiss, dass sie es am nächsten Tag lesen.»
Das sei unhöflich, wenn sie über Menschen im Café, Supermarkt oder in der U-Bahn schreibe, die sich darin wiedererkennen. «Dann bin ich gehemmt, schreibe höflicher und dann ist es nicht mehr lustig», erzählt die Frau, deren Texte von Direktheit und Provokation leben.
Statusmeldung zum Status quo
Als ich in Zürich aus dem Flugzeug steige, schreibt Stefanie Sargnagel auf Facebook:
«ich hab heut von 10-18 Uhr durchgehend Interviews im Weidinger gebeben fürs neue Buch. Und ehrlich gesagt: Es wird mir einfach nicht fad, über mich selbst zu reden. Hätte locker noch 10h drauflegen können.»
Schade, dass wir kaum etwas von dieser feinfühligen Frau im Internet mitbekommen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 21.7.2017, 17:15 Uhr.