«La paranza dei bambini» lautet der Titel von Roberto Savianos erstem Roman. Zu Deutsch in etwa «Der Fischfang der Kinder». Das Wort «paranza» beschreibt im Italienischen eine Art des Fischfangs, bei dem Fische nachts mit sehr hellen Lampen angelockt und leicht gefangen werden.
Für Saviano sind die Bosse der neapolitanischen Camorra wie Lampen, die perspektivlose Jugendliche anziehen. Mit ihrem zur Schau gestellten Reichtum und ihrer Macht wirken die Bosse auf junge Leute wie nachahmenswerte Idole.
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Falsche Idole zwar, aber es gibt kaum andere, legale. Der Grossraum Neapel ist gekennzeichnet durch Massenarbeitslosigkeit, Armut und einer politischen Klasse, die viel verspricht aber wenig hält.
Kriminalität füllt das Vakuum
Hinzu kommt, dass sich der Staat als Ordnungsmacht zunehmend verabschiedet. Es gibt zu wenig Polizisten. Und der Staat investiert wenig in die Sicherheit gefährdeter Stadtviertel. Das so entstandene Vakuum füllen lokale Mafiabosse aus. Sie werden auf diese Weise zu Vorbildern für orientierungslose junge Leute.
Stehlen, dealen, schiessen
Saviano beschreibt am Beispiel einer Gang, bestehend aus minderjährigen Jungen, was konkret im Zentrum Neapels geschieht. Gangs wie diese streunen tagsüber durch die Stadt.
Sie stehlen, dealen, planen Raubüberfälle oder fungieren als Drogenkuriere für Camorrabosse. Von diesen erhalten sie auch Schusswaffen. In einer der erschreckendsten Szenen des Romans schiessen die Youngster von einem Dach auf Menschen.
Der Glanz der Bosse
Je mehr sich der Staat aus seiner Verantwortung zurückzieht, desto mehr Einfluss haben die Bosse in ganzen Stadtteilen. Sie sind es auch, die Arbeitsplätze beschaffen. Vor allem jungen Leuten, die nur selten oder gar nicht die Schule besuchen.
Schätzungen des Bildungsministeriums zufolge gehen etwa 30% aller jungen Neapolitaner nicht mehr zur Schule. Stattdessen verdienen sie Geld. Mit Hilfe einer kriminellen Struktur, die an billigen Arbeitskräften wie Minderjährigen interessiert ist.
Mafiöse Karrieren
So rutschen Minderjährige schnell in ein mafiöses Arbeitsumfeld, das ihnen zeigt, dass auch sie reich und mächtig werden können. Die Faszination für die Mafia zeigt sich aber auch in neapolitanischer Musik.
Es existiert eine Popszene, die sich am Ideal des guten Camorrabosses ausrichtet. Sie bringt mafiaverherrlichende Lieder hervor, die das spannende und gutsituierte Leben der Bosse besingen. Mafiamusik ist ein Phänomen, das es so wohl nur in Neapel gibt.
Wie in Lateinamerika
Autor Saviano verweist mit seinem Roman auf ähnliche gesellschaftliche Zustände in lateinamerikanischen und afrikanischen Grossstädten. Und er nennt die Gründe für diese Zustände. So ist sein Roman auch ein Appell an die italienischen Politiker.
In einem Interview erklärte Saviano, dass eine soziale Realität wie die in Neapel bald auch in Rom, Palermo und Mailand zum Alltag gehören könnte. Auch dort, das bestätigen Mafiaexperten, gibt es einflussreiche mafiöse Clans und eine wachsende Jugendarbeitslosigkeit. Und somit immer mehr junge Leute, die kriminelle Karrieren einschlagen könnten.