Die meisten Personen, die Care-Arbeit leisten, sind Frauen. Noch immer übernehmen sie den Grossteil im Haushalt, den Grossteil bei der Kinderbetreuung, den Grossteil bei der Pflege bedürftiger Menschen.
Für all das werden sie entweder miserabel bezahlt – oder gar nicht. Das Risiko, am Ende des Lebens in der Armutsfalle zu stecken, ist hoch.
Die österreichische Schriftstellerin Mareike Fallwickl treiben diese Missstände um. «Während Corona haben wir gemerkt, wie wichtig diese sogenannten systemrelevanten Tätigkeiten sind. Dass ohne sie gar nichts mehr läuft.» Trotzdem habe sich an der mangelnden Wertschätzung und finanziellen Entlohnung für Care-Arbeit danach nichts geändert.
Fallwickl sagt, dass sie seit Jahren immer wieder einen bestimmten Satz höre. Dieser Satz lautet: «Wenn all diese Care-Tätigkeiten nicht mehr gemacht würden, dann bräche das System zusammen.» An dieser Stelle, so Fallwickl, höre die Debatte aber immer auf: «Nie wird über diesen Satz hinaus gedacht.»
Aufwühlender Katastrophen-Roman
Das Darüber-Hinausdenken hat Mareike Fallwickl nun selbst übernommen – und sich gefragt: Was genau würde da zusammenbrechen? Wie sieht eine Gesellschaft, in der alle Care-Arbeit liegenbleibt?
Care-Arbeit ist viel, viel wichtiger ist, als wir alle immer denken.
Herausgekommen ist ein überaus aufwühlender Katastrophen-Roman. Der Titel: «Und alle so still». Fallwickl skizziert darin das Szenario eines Care-Streiks: Sämtliche Frauen legen sich auf den Boden. Sie sind schlichtweg zu ausgelaugt, um weiterzumachen wie bisher.
Dystopie trifft Utopie
Mareike Fallwickl beschreibt das Chaos, das in dieser Situation (mutmasslich) entstehen würde: Verletzte bleiben in den Krankenhäusern unbehandelt, sie schreien, sie sterben.
Niemand kümmert sich um Kinder oder pflegebedürftige Alte. Und: Viele Männer reagieren auf diesen Ausstand mit Wut. Gewaltvoll versuchen sie, die Frauen dazu zu bringen, wieder zu funktionieren.
Neben dystopischen enthält «Und alle so still» aber auch schöne, utopische Momente. Zum Beispiel beginnen die Frauen in dem Roman, sich miteinander zu solidarisieren. Daraus schöpfen sie die Kraft, ihre Verweigerung fortzusetzen.
Es gibt keinen Ersatz
Auch legt die Autorin ihr Streik-Szenario weltweit an. So ist es im Roman unmöglich, «einfach» Frauen aus ärmeren Ländern heranzukarren, um den Notstand zu mildern.
Mareike Fallwickl sagt, diesen Gedanken habe sie beim Schreiben besonders gemocht: «Die Vorstellung, dass es weiter unten niemanden mehr gibt, der noch bereit ist, die Drecksarbeit für privilegiertere Menschen zu übernehmen.»
Fallwickl wollte zeigen, «dass Care-Arbeit viel, viel wichtiger ist, als wir alle immer denken und anerkennen». Das ist ihr gelungen. Sie hat einen Roman mit offensichtlich feministischer Agenda geschrieben.