Mehrere Passagen in Daniel de Roulets aktuellem Buch «Die rote Mütze» sind kaum auszuhalten. Etwa, wenn er die Folter des Räderns beschreibt:
«Der Henker hebt die schwere Stange, er nimmt sich Zeit, um gut zu zielen. (…) Bei jedem Schlag brüllt André wie ein Tier. Der Henker zerschmettert seine Gelenke, als fällte er eine jurassische Tanne. Erst die Ellbogen, dann die Schultern, dann die Knie, dann die Hüften. Acht vernichtende Schläge.»
Der erwähnte unglückliche André Soret ist einer von acht Schweizer Söldnern, deren Geschichte der Roman erzählt. Und die – neben zahllosen anderen – zur Zeit der Französischen Revolution in der Armee von Ludwig XVI. dienten, dem letzten absolutistischen Herrscher Frankreichs.
Von den acht ist kaum mehr bekannt als deren Namen. Daniel de Roulet schreibt, er sei in die Archive gestiegen und habe sich «die Namen von sieben Söldnern gemerkt und den des gemarterten André Soret».
Aus diesen Namen habe er Figuren gemacht. Imaginierte Biografien von acht «Sklaven», von «weniger vom Glück Begünstigten», denen «nur die Literatur das Wort» erteilen könne.
Schweizer Söldner in fremden Diensten
Herausgekommen ist ein überaus packender Roman über das Los von Schweizer Söldnern, die sich oft nur aus purer Not als Söldner verdingten. De Roulet erzählt von der Trostlosigkeit des Soldatenlebens, von der Ohnmacht der Söldner gegenüber der Willkür der oft gewalttätigen Offiziere.
Das Regiment mit den acht Soldaten gelangt auch während der revolutionären Wirren in Paris ab 1789 zum Einsatz – zur Verteidigung der königlichen Macht. Später verweigern die Offiziere den Soldaten den Sold. Im Regiment bricht eine Meuterei aus. Die acht Figuren erleiden drakonische Strafen – Hinrichtung oder lange Haft.
Erst nach dem endgültigen Sturz des Königs 1792 kommen die Gefangenen wieder frei. Nun gelten sie als Helden. Die roten Mützen, die sie zur Kennzeichnung als Häftlinge tragen mussten, werden zu Symbolen der Freiheit.
Die Altlast in Daniel de Roulets Familie
Den Anlass zu diesem Roman habe ein dunkler Fleck in der eigenen Familiengeschichte gegeben, schreibt Daniel de Roulet: Es geht um seinen Vorfahren mit Namen Jacques-André de Châteauvieux.
Dieser wurde 1728 in Genf geboren, machte in der französischen Armee Karriere und war zur Zeit von Ludwig XVI. Besitzer eben jenes Regiments, in dem auch die im Roman geschilderten acht Schweizer Söldner dienten. Châteauvieux trug die Verantwortung für die blutige Niederschlagung der Meuterei, für die Menschenschinderei, für Marter und Tod.
De Roulet schreibt, es gehe ihm darum, sich von den Untaten seines Verwandten zu distanzieren: «Gegen Vorfahren dieser Sorte anzuschreiben, kann einem helfen, den Kreis der Mörder zu verlassen.»
«Die rote Mütze» ist rasant erzählt
Das Buch ist im Stil einer Ballade gehalten, einem langen Gedicht ohne Reime, das einen mitreissenden Rhythmus entwickelt und Leserinnen und Leser mitten ins Geschehen versetzt. Diese Form lässt keine langen Beschreibungen zu. Dafür ein der Dramatik der geschilderten Ereignisse angepasstes Tempo.
Der Einklang von Form und Inhalt macht «Die rote Mütze» zu einem Stück lesenswerter Literatur. Daniel de Roulet erweist sich – einmal mehr – als begnadeter Geschichtenerzähler.