Der Berliner Schriftsteller und Dramaturg John von Düffel kennt die Klimademonstrationen der «Fridays-for-Future»-Bewegung aus eigener Anschauung. Mehrmals schon habe er seine 12-jährige Tochter an Protestumzügen der Klimajugend in der deutschen Hauptstadt begleitet, sagte er in einem Interview mit dem «Handelsblatt».
Das Bild sei immer dasselbe gewesen: Jugendliche hätten Slogans skandiert. Sie seien unterstützt worden von einigen Rentnerinnen und Rentnern. Seine Generation aber, die Generation der Eltern, habe gefehlt.
Klimakonflikt ist Generationenkonflikt
Diese Beobachtung, sagt John von Düffel, sei für ihn der Auslöser für seinen aktuellen Roman «Der brennende See» gewesen. Das Buch zeigt mit literarischen Mitteln auf, wie sehr die Klimafrage inzwischen einen Keil zwischen die Generationen getrieben hat.
Im Zentrum der Handlung steht eine fiktive Frauenfigur Anfang 40 mit Namen Hannah. Ihr Vater ist verstorben. Sie hatte kaum noch Kontakt mit ihm. Nun kehrt sie zum ersten Mal seit Langem in die Kleinstadt zurück, in der sie aufgewachsen ist.
Beziehungslose Generationen
Mit subtiler Sprache erzählt von Düffel vom Schmerz, der in Hannah wächst, als sie durch die Wohnung des Verstorbenen schreitet: «Eine Spur der Abwesenheit, die sie in seiner Wohnung erwartete, schien sich aufzutun in dem unübersehbar leeren Raum zwischen Himmel und Erde.»
Hannah wird sich der Beziehungslosigkeit zu ihrem verstorbenen Vater bewusst. Man hat sich all die Jahre vernachlässigt. Gegenseitig.
Die Sprache ist auf das Nötigste reduziert. Fein ist auch die Metaphorik: Die fast leeren Räume der Wohnung des Verstorbenen versinnbildlichen Hannahs emotionale Leere.
Einmal, als die Heimgekehrte im kleinen See schwimmt, den ihr Vater täglich aufsuchte, verletzt sie sich schmerzhaft am Fuss. Ja, es tut weh, seinem Vater so wie Hannah ein letztes Mal zu begegnen.
Der Senior und die Klimajugendliche
Hannah erfährt, dass ihr Vater eine enge Beziehung hatte mit einer jungen Frau namens Julia. Sie lebt in der Kleinstadt. Hannah trifft sie. Sie engagiert sich aktiv in der örtlichen Klimajugend.
Julias Meinungen sind prononciert: «Klimaungerechtigkeit ist Generationenungerechtigkeit. Die Vernichtung der Zukunft findet statt mit jedem Tag, den sich die Gegenwart weiter an ihre überkommenen Privilegien klammert.»
Geschickt spielt der Roman mit Erwartungen. Hatte die Jugendliche mit dem viel älteren Mann ein Verhältnis? Nein. Aber die beiden waren dennoch eng miteinander verbunden. Und zwar deshalb, weil sie sich Seite an Seite fürs Klima und den Schutz der Natur einsetzten.
Die Elterngeneration steht abseits
Hannah hingegen hat ihren Vater verpasst. Weil sie stets mit sich selbst beschäftigt war. Weil sie sich für überhaupt niemanden interessierte ausser für sich selbst. Anders der verstorbene Vater und Julia: Sie haben sich – über die Generationen hinweg – für ein gemeinsames Ziel engagiert und dabei Verbundenheit und Sinn gefunden.
Diese familiäre Geschichte lässt an die heutige Elterngeneration generell denken: Sie scheint nicht bereit, sich über die Generationen hinweg als Teil einer menschlichen Gemeinschaft zu begreifen. Auch nicht in Anbetracht der tödlichen Gefahr Klimakatastrophe.
Der Roman lässt offen, ob sich Hannah am Ende verändert. Er schliesst einen Sinneswandel – und damit die Hoffnung – aber auch nicht aus.