Rassismus, Sexismus, unüberwindbare Klassenunterschiede: Das sind die wuchtigen Themen von «Zusammenkunft», dem Erstlingsroman der britischen Autorin Natasha Brown. In Grossbritannien galt das Werk im vergangenen Jahr als eines der erfolgreichsten literarischen Debüts. Nun ist es auf Deutsch erschienen.
Integriert und ausgegrenzt
Die namenlose Ich-Erzählerin in «Zusammenkunft» ist eine junge, schwarze Frau. Sie arbeitet in der Finanzwirtschaft in der Londoner City. Sie ist mit einem weissen Mann aus der Upper Class liiert. Sie verdient gutes Geld. Sogar eine Eigentumswohnung konnte sie sich leisten.
Diese Frau sollte eigentlich glücklich sein, müsste man meinen. Doch dem ist nicht so: Sie wird gequält von dem Gefühl, nicht angekommen zu sein. Dem Gefühl, nicht dazuzugehören und sich stets nur im Rahmen dessen bewegen zu dürfen, was ihr von der britischen Gesellschaft zugestanden wird. Ihr als schwarzer Frau, als Kind der Unterschicht.
Erschöpft von den Erwartungen
«Sei die Beste. Arbeite härter, arbeite schlauer, arbeite genauer. Übertriff jede Erwartung. Sei aber gleichzeitig unsichtbar, unbemerkbar. Löse bei niemandem Unbehagen aus.» Dieses Mantra hat die Protagonistin verinnerlicht. Denn es wird auf subtile Weise von der Aussenwelt an sie herangetragen.
Sie lebt mit der ständigen Angst, einen falschen Schritt zu setzen, der sie um ihre gesellschaftliche Akzeptanz bringen könnte. Sie ist müde davon, sich stets zu verbiegen: müde bis zur Selbstaufgabe. Als sie eine Krebsdiagnose bekommt, entscheidet sie sich gegen eine Therapie.
Ein Strom von Gedanken und Gefühlen
Damit ist nicht zu viel verraten. Denn Natasha Browns Roman lebt nicht von seiner Handlung. Er ist ein Bewusstseinsstrom, eine assoziative Aneinanderreihung von Beobachtungen und Gedanken, von äusseren Stimmen und politisch-historischen Analysen. Natasha Browns Sätze pendeln zwischen der Beschreibung diffuser, unguter Gefühle und der Darstellung konkreter Ausgrenzungssituationen.
Die Widersprüche, in denen die Protagonistin lebt, erreichen ihren Höhepunkt in der titelgebenden «Zusammenkunft». Gemeint ist eine Gartenparty auf dem Landsitz der Eltern ihres Freundes.
Alles in ihr sträubt sich dagegen, dort vorgeführt zu werden. Trotzdem fährt sie hin. Wie die Mutter ihres Freundes auf ihr Kleid schaut, die musternden Blicke auf ihrer dunklen Haut – das ist eine der eindrücklichsten Passagen in diesem Buch.
Verarbeitung eigener Erlebnisse
Vieles aus ihrer eigenen Erfahrungswelt dürfte die 31-jährige Natasha Brown zu diesem Text inspiriert haben: Sie selbst hat, wie ihre Protagonistin, jamaicanische Eltern. Zudem arbeitete sie lange bei einer Bank in London, ehe sie ein Sabbatical einlegte. Dieses Sabbatical nutzte sie zum Schreiben.
Das hat sich gelohnt: Der Roman «Zusammenkunft» ist hochaktuell und in seiner sprachlichen Verdichtung ein kleines literarisches Glanzstück. Natasha Brown reiht sich damit ein in die Riege schwarzer, literarischer Frauenstimmen, die sich etwa mit Bernardine Evaristo und Sharon Dodua Otoo in jüngster Zeit etabliert hat.