Winter in Berlin. Eine Bürgerwehr patrouilliert durch die Stadt. Stammbaum-Workshops untersuchen, wie deutsch man ist. Und queere Menschen müssen sich bei der Partei registrieren.
Sommer in Wien. Die Bundespräsidentin züchtet Rassenhunde, möchte Abtreibungen verbieten, Frauen an den Herd verbannen, und ihre Töchter mit Burschenschaftlern verkuppeln.
Beklemmend witzige Ausblicke
Angenehm sind sie nicht, die Zukunftsvisionen von Laura Lichtblau und Mercedes Spannagel: Bei Lichtblau herrscht eine völkische Partei über Deutschland, während in Spannagels Österreich eine rechtskonservative Bundespräsidentin die Zeit zurückdreht.
Was beklemmend klingt, liest sich äusserst witzig. Etwa, wenn die Tochter der Bundespräsidentin die Waffensammlung ihrer Mutter in den Pool wirft. Oder in Lichtblaus Roman «Schwarzpulver» bei der Parteifeier der Caterer abspringt, weshalb die selbsternannten Herrenmenschen zähneknirschend auf einen arabischen Imbiss zurückgreifen müssen.
Beide haben bewusst darauf verzichtet, eine reine Dystopie zu schreiben. «Die Zeit, in der wir leben, ist dystopisch genug», so Spannagel trocken.
Der Gegenwart, scheint es, wird man nur noch satirisch gerecht. Und das gelingt beiden Schriftstellerinnen hervorragend. Elegant entlarven sie die Lächerlichkeit völkischen Denkens.
«Wie konnte das passieren?»
Inspiriert sind beide Romane von realen Ereignissen. Lichtblau begann nach der letzten deutschen Bundestagswahl mit dem Schreiben. Damals wurde die AfD drittstärkste Kraft. «Wie konnte das passieren?», habe sie sich gefragt.
Dass es sich bei vielen AfD-Wählern um Protestwähler handle, lässt die 35-Jährige nicht gelten: «Die Leute wählen diese Partei bewusst gerade wegen ihrer ausgrenzenden Inhalte.» Besonders unheimlich findet sie, wie vielen Politikern es gelingt, ihr menschenverachtendes Gedankengut hinter einer freundlichen Fassade verbergen.
Die Kinder der Rechten
Ihre zehn Jahre jüngere Kollegin sieht es ähnlich: «Das ist eine Generation, die den Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt und wohl einige seiner Lektionen vergessen hat.»
Damit dürfte sie auch Barbara Rosenkranz meinen. Die Politikerin, die findet, es sollte erlaubt sein, den Holocaust zu leugnen, war Vorbild für die Bundespräsidentin in ihrem Roman.
Sie habe sich interessiert, wie es wohl sei, als Kind von so einem Menschen aufzuwachsen. Aus dieser Idee entstand ihr Roman «Das Palais muss brennen», der inzwischen für den Österreichischen Buchpreis nominiert ist.
Auch Lichtblau interessiert das Leben mit rechten Verwandten. Die Mutter einer ihrer Hauptfiguren arbeitet bei der Bürgerwehr. Damit will die Autorin zeigen, wie es sich anfühlt, wenn ein nahestehender Mensch nach rechts abdriftet.
Eingeholt von der Realität?
Bei der Lektüre beider Bücher bleibt einem das Lachen zuweilen im Halse stecken. Zu nah an der Realität scheinen manche Szenarien. In Deutschland haben schliesslich erst kürzlich Rechtsextreme den Reichstag gestürmt.
Dass ihre Romane von der Realität eingeholt werden könnten, halten beide Autorinnen dennoch für eher unrealistisch. Lichtblau zeigt sich «aus Prinzip optimistisch, aber besorgt.» Und ihre Wiener Kollegin ist sich sicher: «Alles wird gut.»
Es gibt also noch Hoffnung. Auch für die Literatur: Laura Lichtblau und Mercedes Spannagel sind zwei Schriftstellerinnen, die man im Auge behalten sollte.