Literatur - Sachbuch-Tipps: Europas Flüchtlinge – ein Thema, das alle angeht
Die Nachrichten sind voller Schreckensmeldungen über das Elend der Flüchtlinge weltweit. Über 50 Millionen Menschen sollen auf der Flucht sein, so viele wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Wir stellen vier Bücher zum Thema vor – vom einer Flucht-Reportage bis zur Kritik an der Europapolitik.
Für ihren Film «Fremd» ist die deutsche Filmemacherin Miriam Faβbender nach Mali gereist, nach Algerien, nach Tunesien. Zwei Flüchtlinge, Mohammed und Jerry, hat sie aufgestöbert in ihren improvisierten Hütten irgendwo im Niemandsland, ist ihnen nachgereist, hat sie begleitet auf ihrer Flucht. Auf einer Flucht, die mehr ein Warten war – auf das nächste Zeichen der Schlepper, auf die nächste Gelegenheit. Und mehr als einmal wurden sie zurückgeschafft dorthin, wo sie herkamen. In «2850 Kilometer» dokumentiert Miriam Faβbender diese Erfahrungen und Erlebnisse und erzählt, welche Risiken sie eingehen musste, um diesen Film zu drehen. Ein packendes, spannendes und berührendes Buch.
Die Asylexperten Wolfgang Grenz, Julian Lehmann und Stefan Keβler zeigen in ihrem Buch «Schiffbruch» faktenreich und beispielhaft die aktuelle Situation auf: Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg ist die Zahl der Flüchtlinge weltweit auf über 50 Millionen gestiegen, nur ein kleiner Teil davon gelangt dabei nach Europa. Die meisten Flüchtlinge tauchen in Entwicklungsländern unter. Die Autoren weisen darauf hin, dass die Flüchtlinge oft nicht zu ihren Rechten kommen, die sie aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention hätten. Für Europa stünde viel auf dem Spiel, wenn es an den menschlichen Standards scheitert, die es sich selbst einmal gegeben hat, so die Autoren.
«Europa schützt seine Grenzen, aber nicht die Flüchtlinge» – das beklagt der deutsche Journalist Heribert Prantl in seinem Plädoyer für einen menschlichen Umgang mit Asylsuchenden. Er fordert einen Richtungswechsel in der Flüchtlingspolitik, denn es gehe nicht an, Menschen, die an Leib und Leben bedroht sind, wie Kriminelle zu behandeln. Das geltende EU-Recht, das dafür sorgt, dass Flüchtlinge innerhalb von Europa herumgeschoben werden, müsse dringend geändert werden. Nicht Abschottung und Abwehr, sondern der Schutz der Flüchtlinge sollte an erster Stelle stehen. Eine kurze, aber leidenschaftliche Streitschrift, die zum Nachdenken anregt. Und hoffentlich auch zum Handeln.
Der Kriminologe Andrea Di Nicola und der Fotograf Giampaolo Musumeci sind Schleppern, die Flüchtlinge nach Europa schleusen, auf ihren Routen gefolgt. Dabei ist es ihnen gelungen, mit Fischern, Kapitänen, Taxifahrern, Geldverwaltern und Zimmervermietern ins Gespräch zu kommen. Sie zeigen auf, dass viele legale Branchen vom Schleusergeschäft profitieren. Nicht nur in Lampedusa, auch in Calais, wo sich Migranten in Lastwagen verstecken, um inkognito nach Grossbritannien zu kommen. Oder in der türkischen Hafenstadt Izmir, um im Bauch von Luxusjachten unerkannt nach Griechenland zu gelangen. Das Buch versammelt so aufschlussreiche Bekenntnisse, die in die aktuelle politische Diskussion in Europa einfliessen sollten.
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