Die Band Wir sind Helden prägte die deutsche Musikwelt für über ein Jahrzehnt. Seit dem Aus im Jahr 2012 fokussiert sich Sängerin und Gitarristin Judith Holofernes auf ihre Karriere als Autorin. Dabei schätzt sie besonders die Nähe zu den Fans, die sie zur Veröffentlichung ihres Buches inspirierten.
SRF: Das Buch, das Sie gerade veröffentlicht haben, heisst «Die Träume anderer Leute». Was hat es mit dem Titel auf sich?
Judith Holofernes: Ein Song mit meiner Band Wir sind Helden hiess schon so. Beim Schreiben des Buchs kam er mir immer wieder in den Sinn.
Das Bedürfnis, es stets allen recht machen zu wollen, verspüren viele Frauen.
Ich habe gemerkt, dass ich vieles in meinen Liedern schon früh erkannt hatte, ohne es umzusetzen. Dazu gehört zum Beispiel, die Träume und Wünsche anderer Leute von meinen eigenen zu unterscheiden – und diese auch ablehnen zu dürfen.
In Ihrem Buch beschreiben Sie das Musikbusiness als Hamsterrad: neues Album produzieren, anschliessend Tour und unzählige Werbeauftritte. Ständige Verfügbarkeit. Immer gut aussehen. Ein Management, das bestimmt, wann der nächste Hit zu kommen hat.
Die grösste Erkenntnis, die ich beim Schreiben des Buchs gewonnen habe, war: Ich war viel zu ansprechbar für die Träume anderer Leute. Und das, obwohl ich mich immer mit breiter Brust als «Nonkonformistin» bezeichnet und in meinen Songtexten dieses kapitalistische «Höher, schneller, weiter» kritisiert habe.
Ich glaube, das Bedürfnis, es stets allen recht machen zu wollen, verspüren viele Frauen. Mich hat das in mindestens ein Burn-out hineinmanövriert.
Vor drei Jahren haben Sie Ihren Abschied vom «Karriereaspekt des Holofernes-Seins» verkündet. Seither sind sie aber noch für Ihre Fans auf der Plattform Patreon aktiv. Was treiben Sie da?
Ganz vieles, aber im weitesten Sinne: Schreiben. Man kann sich das vorstellen wie einen Online-Kreativitätsworkshop. Ich teile meine Gedanken, Texte, an denen ich gerade arbeite, oder Fragen, die mich beschäftigen. Darüber tausche ich mich mit meinen Fans aus.
Früher stand die Frage im Vordergrund: ‹Wie bringe ich mehr Leute dazu, mein Album zu kaufen?›
Auch das Buch ist so entstanden: Am Anfang habe ich die einzelnen Kapitel nur auf Patreon veröffentlicht. Irgendwann meinten meine Patrons, das Ganze hätte Potenzial für ein Buch.
Das Konzept dieser Plattform ist, dass diese sogenannten Patrons einer Künstlerin oder einem Künstler einen kleinen Geldbetrag zukommen lassen, und zwar kontinuierlich. Alle anderen Crowdfunding-Seiten sind stets projektbezogen.
Vielen Leuten ist gar nicht klar, dass es – ob nun Musik, Bildhauerei oder Schreiben – viel Geld kostet, Kunst zu machen. Patreon verhilft mir zu einem gewissen Sockel, der mein finanzielles Risiko minimiert.
Aber Sie profitieren doch sicher noch von Ihren Hits aus der «Wir sind Helden»-Zeit.
Das schon. Aber dank meinen Patrons kann ich beispielsweise auch meine kleine Arbeitswohnung finanzieren, die ich unbedingt brauche. Durch das Wissen um eine feste Unterstützerschaft habe ich nicht mehr das Gefühl, ständig sichtbar sein zu müssen.
Mir tut es gut, eine so enge Beziehung zu meinen Fans pflegen zu können. Eine Beziehung, die in die Tiefe geht. Früher stand nicht die Tiefe im Vordergrund, sondern bloss die Frage: «Wie bringe ich noch mehr Leute dazu, mein Album zu kaufen?»
Es geht Ihnen heute also besser?
Seit ich bei Patreon bin, fühle ich mich überdurchschnittlich mopsfidel und zufrieden. Ich bin jetzt zu 80 Prozent mit dem Kunst-Machen beschäftigt und nur noch zu 20 Prozent mit dem Vermarkten. Vorher war es andersherum.
Das Gespräch führte Katja Schönherr.