«Wir haben uns nie als schreibendes Paar gesehen», sagen Monika Helfer und Michael Köhlmeier. Die beiden sind seit über 40 Jahren verheiratet. Sie teilten zwar den Beruf. Aber was sie vor allem verbinde, sei die Familie.
Helfer und Köhlmeier haben in ihrem Haus in Vorarlberg vier Kinder grossgezogen. Es ist auch der Arbeitsort der 75- und des 73-Jährigen. Ihre Schreibtische stehen aber in getrennten Zimmern. «Wir treffen uns in der Küche», sagt Monika Helfer, «dort tauschen wir uns über Ideen und Texte aus.»
Denselben Beruf zu haben, finden beide praktisch. «Wir müssen vieles nicht erklären», sagt Köhlmeier. Monika Helfer ergänzt: «Ich sage oft zu meinen Kindern: Ihr müsst euch einen Partner suchen, der einen ähnlichen Beruf hat wie ihr. Dann könnt ihr immer nachfragen.»
Nähergekommen durch die Literatur
Eine Beziehung, in der beide schreiben, führen auch Julia Weber und Heinz Helle. Die beiden gehören zu den viel beachteten Stimmen der jungen deutschsprachigen Literatur.
Weber und Helle leben in Zürich. Sie sind seit neun Jahren verheiratet und haben zwei kleine Töchter. Kennengelernt haben sie sich am Literaturinstitut in Biel: «Nähergekommen sind wir uns, als wir zusammen Texte besprochen und überarbeitet haben.»
Die gegenseitigen Texte zu besprechen, bedeutet auch zu kritisieren. Und das kann wehtun, darüber sind sich beide Paare einig. Aber es sei vor allem ein «wertvolles Korrektiv», wie Helle es nennt.
Mythos «Schriftstellerpaar»
Dass ein Paar im Schreibprozess so eng verbunden ist, steht im Gegensatz zum Mythos vom einsamen Schriftstellergenie. Ein anderer Mythos, der über Schriftstellerpaare kursiert, ist derjenige der leidvollen Konkurrenz.
F. Scott und Zelda Fitzgerald sollen eine Ehe in Rivalität geführt haben. Und die Liebesbeziehung zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch war von Verletzungen geprägt.
Ginge es auch ohne das Schreiben?
Eine solche Konkurrenz kennen Julia Weber und Heinz Helle nicht. Aber für Weber war es nicht einfach, als er schon ein Buch herausgegeben hatte und sie nicht: «Unsere Beziehung war so stark auf dem Schreiben aufgebaut, dass ich mich gefragt habe, ob das auch geht, wenn ich nicht Schriftstellerin sein kann.»
Vier Jahre nach Helle veröffentlichte Weber ihren ersten Roman. Die Beziehung empfinden heute beide als ausgeglichen. Auch, weil sowohl Weber als auch Helle im Literaturbetrieb sichtbar sind.
Kinderbetreuung statt Schriftstellerei
Auf Sichtbarkeit wartete auch Monika Helfer. Lange war es fast ausschliesslich ihr Mann, der als Autor in der Öffentlichkeit stand. Sie war zu weiten Teilen mit der Betreuung der gemeinsamen Kinder beschäftigt.
«Das war für mich kein Problem», sagt Helfer bestimmt. «Aber die Leute wollen das nicht glauben und denken immer, ich habe gelitten, weil Michael so erfolgreich und ich zuhause mit den Kindern war. Aber es hat gepasst.»
Der Segen der Sagen
Doch auch für Michael Köhlmeier blieb in den Jahren nach der Familiengründung nur wenig Zeit fürs Schreiben. Er arbeitete im Österreichischen Rundfunk. Von der Schriftstellerei konnte die Familie nicht leben.
Ende der 1990er-Jahre erlangte Michael Köhlmeier Bekanntheit für seine Nacherzählungen klassischer Sagen und Mythen. Für die Familie bedeutete dieser Erfolg einen finanziellen Segen.
Wir haben uns nie als schreibendes Paar gesehen.
Auch Monika Helfer ist mittlerweile eine feste Grösse in der Literaturszene. Ihre drei Romane über die eigene Familie – «Die Bagage», «Vati» und «Löwenherz» – waren allesamt Bestseller.
«Das ist so etwas Intimes»
Einige Bücher hat das Ehepaar sogar gemeinsam geschrieben. Aber auch dann sitzen sie nicht nebeneinander am Schreibtisch. «Einen Satz gemeinsam zu formulieren, das geht nicht», erklärt Köhlmeier. «Das ist so etwas Intimes, das sprengt sogar die Intimität eines Ehepaars.»
Das sieht auch Julia Weber so: «Ich kann einen Text nicht gemeinsam erschreiben.» Ein Buch zusammen zu veröffentlichen, das können sich Weber und Helle aber vorstellen. Das Textmaterial dazu müsse aber – wie beim Ehepaar Köhlmeier-Helfer – separat erzeugt werden.
Bereits jetzt schöpfen Weber und Helle beim Schreiben aus derselben Realität. In ihren neusten Romanen «Die Vermengung» (Weber) und «Wellen» (Helle) schreiben beide vom Leben als Schriftstellerpaar und Eltern.
Arbeit am Gleichgewicht
Kinderbetreuung, Haushalt und die Schriftstellerei: Für all das sind Weber und Helle zu gleichen Teilen verantwortlich. «Als das erste Kind kleiner war, war das noch nicht so», sagt Helle, «aber wir haben viel daran gearbeitet, ein Gleichgewicht herzustellen.»
Anders als Köhlmeier und Helfer schreiben Weber und Helle kaum in der gemeinsamen Wohnung: «Wenn die Kinder in der Schule und der Kita sind, kommen wir in unsere Ateliers und arbeiten. Und dann machen wir aus, wer wann wen wo abholt.»
Die Familie, das sagen beide Paare, sei ein besonders verbindendes Element für die Beziehung. Ihre Ehen empfinden beide auch deshalb als harmonisch, weil sich diese nicht nur über die Schriftstellerei definieren.