Die Würfel sind gefallen – die fünf für den Schweizer Literaturpreis 2015 nominierten Bücher sind bekannt. Es sind dies: Martin R. Deans «Verbeugung vor Spiegeln», Dana Grigorceas «Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit», Meral Kureyshis «Elefanten im Garten», Ruth Schweikerts «Wie wir älter werden» und Monique Schwitters «Eins im Andern».
Ihnen allen sei etwas gemeinsam, meint Jurypräsidentin Corina Caduff: Sie brächten «aktuelle gesellschaftliche Problemlagen – die eigene Erfahrung des Anderen, Inter-Nationalität und Erinnerung – eindringlich zur Sprache».
«Das Fremde aushalten»
Ähnlich sieht dies SRF-Literaturredaktorin Luzia Stettler: «Was mir an dieser Shortlist besonders gefällt, ist der grosse Anteil von Migrantinnen», sagt sie. Sowohl Dana Grigorceas als auch Meral Kureyshis Roman handle vom Leben zwischen zwei Kulturen.
Auch Martin R. Deans Essayband könne man im weitesten Sinne unter dieses Motto stellen: Er behandle die Frage, was uns am Fremden eigentlich so Angst macht. Kühn sei auch sein Fazit, so Luzia Stettler: «Martin R. Dean plädiert dafür, das Fremde aushalten zu lernen, statt es krampfhaft verständlich machen zu wollen.»
Preisverleihung im November
Die öffentliche Preisverleihung findet am Sonntag, 8. November im Rahmen des Literaturfestivals BuchBasel im Theater Basel statt. Die Auszeichnung ist mit 40'000 Franken dotiert – 30'000 Franken für den Sieger und je 2500 für die übrigen Nominierten.
Gemäss dem Schweizer Buchhändler- und Verlegerverband (SBVV), der den Preis gemeinsam mit dem Verein LiteraturBasel vergibt, prüfte die Jury dieses Jahr 90 Titel.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 23.09.2014, 17:15 Uhr.
Die Shortlist
1. Martin R. Dean: «Verbeugung vor Spiegeln»
In seinem Essayband geht Martin R. Dean der Frage nach, wie sehr ihn die Begegnung mit dem Anderen zu dem gemacht hat, der er ist. Er kommt zu einem überraschenden Schluss: Das Fremde, das eigentliche Kapital der Moderne, droht in den Prozessen der Globalisierung zu verschwinden. Martin R. Dean plädiert in seinem Buch für die Fähigkeit, das Fremde auszuhalten und schreibt an gegen das Verschwinden der Toleranz.
2. Dana Grigorcea: «Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit»
«Michael Jackson in Bukarest»: Mit diesem Auszug aus ihrem Zweitling hat Dana Grigorcea beim diesjährigen Wettlesen in Klagenfurt Jury und Publikum begeistert und einen Preis geholt.
Dana Grigorcea, geboren 1979, ist Bukaresterin und Zürcherin. In ihrem Buch beschreibt Grigorcea, nahe an ihrer Autobiografie, eine Frau, die zur rumänischen «Wendegeneration» gehört: Sie ist noch im Kommunismus aufgewachsen, lebt nun aber frei in Zürich. Sie kommt zurück nach Bukarest, erlebt die Stadt, erinnert sich an ihre Kindheit, trifft Lebendige, Tote und Halbtote. «Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit» ist eine Geschichtsbetrachtung und eine Abrechnung mit einer ganzen Generation.
«Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit» von Dana Grigorcea (52 beste Bücher, 6.9.15)
3. Meral Kureyshi: «Elefanten im Garten»
«Elefanten im Garten» erzählt die Geschichte einer Familie, die in den 1990er-Jahren vor dem Krieg aus dem Kosovo in die Schweiz geflüchtet ist. Es ist die Geschichte eines Mädchens, das zwei verschiedene Kulturen kennenlernt, und die Geschichte einer jungen Frau, die nach dem Tod ihres geliebten Vaters ihren Wurzeln nachspürt.
Die Berner Autorin Meral Kureyshi erzählt in ihrem Roman eine Geschichte, die ihrer eigenen ähnelt. Mit neun Jahren flüchtete sie mit ihrer Familie vor dem Krieg im Kosovo in die Schweiz. Heute hat die 32-jährige Autorin ein Lyrikatelier in Bern.
Meral Kureyshi spricht über ihr Buch (Regionaljournal, 13.9.15)
4. Ruth Schweikert: «Wie wir älter werden»
10 Jahre nach «Ohio» meldet sich Ruth Schweikert zurück. In ihrem neuen Roman «Wie wir älter werden» erzählt sie von den Familien Brunold und Seitz, die durch eine alte Liebe verlinkt sind: Jacques Brunold und Helena Seitz waren früher einmal ein Paar und kommen ein Leben lang nicht voneinander los.
Dieses Dilemma, das krampfhaft verheimlicht wird, beeinflusst nicht nur beide Ehen, sondern hat auch Konsequenzen für die nächste Generationen. Raffiniert wechselt Ruth Schweikert Perspektiven und Zeitebenen und legt, Schicht um Schicht, Geheimnisse und Tabus frei. Gleichzeitig dokumentiert sie, wie sich gesellschaftliche Entwicklungen im Mikrokosmos Familie spiegeln.
«Wie wir älter werden» von Ruth Schweikert (52 beste Bücher, 14.6.15)
5. Monique Schwitter: «Eins im Andern»
Was ist eigentlich aus der ersten grossen Liebe geworden? Diese Frage stellt sich die Hauptfigur im Roman «Eins im Andern». Sie googelt im Netz und findet etwas heraus, das sie erschüttert. Die Suche nach der ersten Liebe löst nun Erinnerungen an weitere Männer aus, die für sie wichtig waren. Zwölf sind es, zwölf Apostel. In einer Art Liebes- und Männerreigen philosophiert Monique Schwitter in ihrem Roman über die Spielarten der Liebe. Monique Schwitter hat mit «Eins im Andern» einen Roman über das Lieben in der heutigen Zeit geschrieben.
«Eins im Andern» von Monique Schwitter (52 beste Bücher, 4.10.15)