Beruf: Reporter heisst ein berühmter Film von Antonioni. Jack Nicholson spielt darin einen Reporter für ein amerikanisches Network. Einen, der an seinem Beruf und an seiner Biographie gleichermassen zweifelt, ja verzweifelt.
Auch Navid Kermani ist ein Berichterstatter voller Skrupel und Dezenz. Kein «tough guy», den nichts mehr wirklich berührt, sondern einer, der auch sein erzählendes Ich in den Ausnahmezustand bringt, in dem er sich an seinem Reiseziel tatsächlich befindet.
Es sind Orte und Regionen, die eins verbindet, den Zerfall staatlicher Ordnungen und Strukturen. Schwierige, unübersichtliche Verhältnisse sind es, die in dem Muslim Navid Kermani ihren teilnehmenden Beobachter finden.
Leise, unspektakulär aber eindringlich sind seine Erzählungen von den Menschen, die ihm begegnen: dem «lebendigen Heiligen» in Kaschmir, der ihn zuerst «vollständig ignoriert», oder den indischen Tagelöhnern, den Demonstranten der iranischen Opposition, dem afghanischen Stammesführer und Ex-Taliban, dem Bürgermeister von Lampedusa im Angesicht der Flüchtlingsschiffe.
Der Ausnahmezustand ist das Normale. Das zeigen Kermanis Reportagen. Es ist ein ungeheurer Alltag in seinen Berichten. Dieser Reporter ist ein Erzähler.