Freitag, 11.15 Uhr, Landhausquai, Solothurn. «Huch, bin ich erleichtert!» Martin R. Dean strahlt beim Verlassen des Landhauses. Sein Auftritt vor Publikum im grossen Saal ist vorüber. «Herrgott, war ich nervös. Ich habe heute Morgen das Müesli fast nicht runterbekommen.»
Der Auftritt: kurze Lesepassagen aus dem aktuellen Roman «Warum wir zusammen sind». Ein Buch über die Ehe. Dazwischen Fragen der Moderatorin beantworten.
Er sei besser im Diskutieren als im Vorlesen. «Das Publikum ist super mitgegangen». Ab und zu habe es während des Gesprächs auf der Bühne Lacher aus dem Publikum gegeben: «Ein gutes Zeichen!»
Lesungen in Solothurn seien immer besonders: auf der Bühne vor den anderen Autorinnen und Autoren, den Kritikern und den überdurchschnittlich belesenen Menschen im Publikum.
«Das Schönste sind die vielen Begegnungen»
Es geht ein paar Schritte den Landhausquai hinunter. Gartenbeiz. Cappuccino. Ein Smiley aus Schokoladenpulver ziert den Milchschaum.
«Das Schönste an den Solothurner Literaturtagen sind die vielen Begegnungen.» Kolleginnen und Kollegen. Verleger. Journalistinnen. Leserinnen. «Alle sind da. Eigentlich unglaublich!»
Martin R. Dean schlürft an der Tasse, wischt sich den Schaum von den Lippen und lächelt: «Die Welt verändert sich. Aber die Literaturtage bleiben.»
«Hallo Martin!» Ein älterer Herr winkt von der Strasse. Gruss zurück. Der Mann ist der Inhaber von Deans Lieblingsbuchhandlung in Basel.
Marketing sei in Solothurn sekundär. Martin R. Dean lässt seinen Blick über die Aare schweifen. Sie führt viel Wasser, zieht ruhig dahin an diesem herrlichen Frühsommertag. Laue Temperaturen. Entspannung.
«Zuerst in die Pfanne»
«Wie viele Bücher ich verkaufe, ist mir eigentlich nicht so wichtig. Ich kann ohnehin nicht vom Schreiben leben.» Dean unterrichtet Teilzeit an einem Gymnasium. Deutsch. «Ich habe von meinen Schülerinnen und Schülern schon viel für meine Romane profitiert.»
Er habe mit der Klasse den Werther gelesen und dann mit den Jugendlichen diskutiert, wie das mit der Liebe bei ihnen funktioniere. «Heute lautet die Devise: Zuerst in die Pfanne, und dann schaut man, ob sich was Längerfristiges ergibt.»
Ende des Cappuccinos. 4.80 Franken. Es geht ein Stück zurück den Landhausquai hoch. Linker Hand ist das «Kreuz», die älteste Genossenschaftsbeiz der Schweiz. Hier wurden vor über 40 Jahren die Literaturtage gegründet.
«Gopfertori, was habe ich da alles erlebt!»
«Ich kam schon als junger Trübel hierher.» Er war im Publikum, als der 75-jährige Max Frisch 1986 im Landhaus seine berühmte Rede hielt: «Am Ende der Aufklärung steht das goldene Kalb». «Frisch habe ich angehimmelt», sagt Dean. Zu einer direkten Begegnung mit dem Meister kam es nie.
«Solothurn ist für mich Heimat.» Erinnerungen an das Besäufnis mit dem guten Freund Paul Nizon, an die Diskussionen mit Roland Jurczok, Peter Bichsel, Ariane von Graffenried, die durchgezechten Nächte. «Gopfertori, was habe ich da alles erlebt!»
«Solothurn, da bin ich zu Hause»
Später dann habe er einige Zeit in der Programmkommission der Solothurner Literaturtage mitgearbeitet. Und dort auch seine Frau kennengelernt, die Germanistin Silvia Henke. «Wir kamen uns schön langsam und gesittet allmählich näher - nicht so wie die Jungen in meiner Klasse…» Lachen.
Es geht auf zwölf Uhr zu. Der Magen knurrt. Martin R. Dean ist im «Kreuz» mit einem alten Freund verabredet. Einer von vielen, die er hier trifft. «Solothurn, ja, da bin ich zu Hause!»