Susanna Faesch wurde 1844 in Kleinbasel geboren und wanderte als Achtjährige mit der Mutter nach New York aus. Dort wurde sie Porträt-Malerin und mauserte sich später zu einer Vertrauten des Indigenen-Häuptlings Sitting Bull. Die Künstlerin ist die Hauptfigur in Alex Capus' neustem Roman «Susanna».
Capus zählt zu den erfolgreichsten Schweizer Autoren. Historische Stoffe in süffig-eleganter Sprache darzubieten, war schon immer sein Ding. Und das gelingt ihm mit «Susanna» erneut.
Leben voller Turbulenzen
Der Roman hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Das liegt nicht an der Story. Die Lebensgeschichte von Susanna Faesch, die aus einer Basler Aristokratenfamilie stammte, hat es tatsächlich in sich.
Es erstaunt nicht, dass ihre Geschichte vor fünf Jahren unter dem Titel «Woman Walks Ahead» als Film mit Hollywoodstar Jessica Chastain in die Kinos kam. Erst im letzten Jahr hat der Schweizer Autor Thomas Brunnschweiler ein erstes literarisches Lebensbild von Susanna Faesch veröffentlicht.
Auch in Sachen Spannung lässt Capus’ Roman in gewohnter Manier nichts zu wünschen übrig. Der Sog setzt ab der ersten Seite ein, als Susanna ein kleines Mädchen war.
«Ich wünschte, ich hätte sie gekannt. Ich wünschte, ich wäre schon auf der Welt gewesen, als sie dem Pferdeknecht Anton Morgenthaler … in einem Akt entschlossener Notwehr mit dem rechten Zeigefinger das linke Auge ausstach.»
Der gründlich recherchierte Roman folgt über knapp 300 Seiten den verbürgten Lebensstationen der Hauptfigur, die als Porträt-Malerin in New York gutes Geld verdiente.
Gegen Ende der Indianerkriege entwickelte sie Mitgefühl für die in Reservaten eingesperrte amerikanische Urbevölkerung. Schliesslich suchte sie Häuptling Sitting Bull auf und wurde zwischenzeitlich zu dessen Verbündeter.
Schilderungen voller Atmosphäre
Diesen atemberaubenden Plot vermittelt Alex Capus sprachlich elegant und mit atmosphärisch dichten Schilderungen. So zum Beispiel in jener Szene, die die Eröffnung der erleuchteten Brooklyn Bridge am 24. Mai 1883 schildert.
«Summend und johlend, kichernd und plappernd, tippelnd und stampfend wuselte ein vieltausendfüssiger Tatzelwurm über die erleuchtete Brücke, glückstrunken und voll vager Hoffnungen taumelten die Menschen einem besseren Leben in einer lichten Zukunft entgegen.»
Klare Handlung, unklare Motive
Dennoch überzeugt der Roman nicht völlig. Zu sehr bleiben die Motive der Figuren im Dunkeln. In Susannas Leben wird geliebt, gestritten, geheiratet, geschieden, gereist, gemalt. Immer wieder stellt man sich die Frage: Warum tut Susanna all das, was sie tut?
Der Roman sucht keine Antworten, indem er zum Beispiel in die Psyche der Figuren vorzudringen versuchte. Dafür heisst es an einer Stelle etwa lapidar: «Ich wüsste zu gern, was Susanna Faesch im Frühsommer 1890 veranlasste, plötzlich fortzugehen.»
Viele Fragen, wenig Antworten
Alex Capus’ Roman will sich der Figur literarisch und nicht nur biografisch-faktisch nähern. Er unterlässt es jedoch, die vielen Leerstellen zumindest zu reflektieren. So bleibt Susanna bis zuletzt eine Fremde.
Man fragt sich: Worum geht es in diesem turbulenten Leben, ausser darum, dass es turbulent ist? Und in der Konsequenz: Was hat das Geschilderte mit mir als Leserin oder Leser zu tun?
Zweifelsohne bietet «Susanna» einige unterhaltsame Stunden Lektüre. Der Stoff hätte allerdings das Material zu einem gewichtigeren Roman geboten.