Er habe 35 Jahre lang «mit ohnmächtigem Grauen zusehen müssen, wie unser wahres Leben unter einer Schlammlawine aus apokryphen Geschichten, falschen Zeugnissen, Gerüchten, Erfindungen, Mythen verschüttet wurde»: So lässt Autorin Connie Palmen ihren Erzähler Ted Hughes den Roman beginnen.
Eine Liebe als Mythos
Der britische Dichter und Autor Ted Hughes überlebte seine Frau um dreieinhalb Jahrzehnte: Sylvia Plath hatte im Jahr 1963, erst 31-jährig, Selbstmord begangen.
Seither ist die so leidenschaftliche wie zerstörerische Liebesbeziehung zwischen dem englischen Lyriker und der amerikanischen Schriftstellerin zum Mythos und zum Stoff von Literatur und Filmen geworden; zuletzt 2003 mit dem Film «Sylvia» mit Gwyneth Paltrow in der Titelrolle.
Schuld oder Schicksal
Inwiefern hatte Hughes, der am Schluss treulose Ehemann, zu Plaths endgültiger Verzweiflung beigetragen? Tatsächlich war Hughes Vorwürfen und auch Schuldsprüchen ausgesetzt gewesen.
Mit der Wahl ihrer Erzählperspektive weckt Autorin Connie Palmen nun die Erwartung, ihre Leser könnten vielleicht die wahre – oder zumindest der Wahrheit näher kommende – Geschichte erfahren.
Am Anfang die Euphorie
Am Anfang ekstatisches Glück. Vor allem Sylvia wollte ihr Leben der Literatur weihen, täglich im selben Raum sitzen und schreiben, oft Rücken an Rücken mit dem Geliebten.
Dann aber die Kompromisse: Hughes folgte Plath nach Amerika, sehnte sich aber eigentlich zurück nach England. Beide mussten unterrichten, um das Leben zu finanzieren.
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Labil und gefährdet
Plath hatte bereits einen Selbstmordversuch hinter sich. Sie balancierte immer am Rand existenzieller Ängste, Panikanfälle und extremer Gefühle.
Weder die beiden Kinder noch der langersehnte Schreibfluss, in dem Sylvia Plath ihr berühmtestes Werk «The Bell Jar» verfasste, konnten ihre innere Verfassung beruhigen.
Wenn Connie Palmen ihren Ich-Erzähler Ted Hughes erzählen lässt, wie seine Frau täglich weint, gleichsam ein Bündel überreizter Nerven und depressiver Disposition, dann mutet dies an wie eine Gegenthese: Als wollte Palmen aufräumen mit der bekannten Sichtweise, eine hochbegabte Dichterin sei an ihrem rüden und verständnislosen Ehemann zerbrochen.
Gewagte Interpretation
Aber ist Connie Palmens Gegendarstellung nicht einfach eine weitere gewagte Interpretation, die nun die Sympathien der Leser auf die Seite von Ted Hughes bringt?
Als «dokumentarische Quelle» gibt Palmen den Gedichtband «Birthday Letters» von Ted Hughes an, eine Sammlung von 88 Gedichten über seine Beziehung zu Sylvia.
Pathetisch bis irritierend
Problematisch ist auch Palmens ungemein pathetische Sprache: Je nach Situation ist Plath mal eine «brünstige Stute», die über den Geliebten herfällt; dann eine «religiöse Eiferin mit hektischem Streben nach einer höheren Form der Reinheit».
Sicher gebührt Palmen der Verdienst, auf die Dichtung der beiden – den «Originalton» gleichsam – neugierig gemacht zu haben. Ihr Buch aber irritiert in seinem schwärmerisch-superlativischen Tonfall.
Es hätte stattdessen sprachlicher Genauigkeit und origineller Denkansätze bedurft, um eine neue Sicht der Dinge plausibel erscheinen zu lassen.