Als Toni Khan auf seinem Dachboden in Massachusetts ein Manuskript entdeckt, erkennt er darauf den Namen des ungarischen Schriftstellers János Székely. Er ruft dessen Tochter Kati Frohriep an, die über 80 Jahre alt ist und in der Schweiz lebt.
Schnell ist klar: Das ist Weltliteratur. Und so landet das Manuskript beim Zürcher Diogenes Verlag, der die Weltrechte auf Székelys Werk hat und den Roman nun herausgebracht hat.
Flucht aus Ungarn
Die Handlung des Romans spielt im fiktiven Dorf Kakasd im faschistischen Ungarn des Zweiten Weltkriegs. Es ist ein Panorama der damaligen Machtverhältnisse, der Kollaboration mit Deutschen, der Bauern gegen den Landadel und der Sinti und Roma.
Das Leben des Autors János Székely liest sich ebenfalls wie ein Roman: 1919 kommt in Budapest der antisemitische Reichsverweser Miklós Horthy an die Macht. Der damals erst 18-jährige Székely, der jüdische Wurzeln hat, kann nicht mehr frei publizieren und flieht nach Deutschland.
Von Babelsberg nach Hollywood
In Potsdam bei Berlin heuert er im Filmstudio Babelsberg an. Bald feiert Székely mit Stummfilm-Drehbüchern beachtliche Erfolge und wird Chefdramaturg der UFA, der damals wichtigsten Filmproduktionsfirma Deutschlands.
Als Hitler 1933 die Macht übernimmt, werden Juden zunehmend boykottiert. Székely ist in Deutschland nicht mehr sicher und wandert 1938 nach Hollywood aus, holt dort einen Oscar für eine Filmgeschichte.
Doch mit dem Kalten Krieg beginnt in den USA eine beispiellose Hetze gegen angebliche und tatsächliche Kommunisten. Viele Drehbuchautoren werden verfolgt und verhaftet. Auch Székely gerät ins Visier der Antikommunisten.
Ein Leben auf der Flucht
János Székely zieht sich eine Zeit lang mit seiner Familie in New York zurück. Seine Frau Erzsi Barsony ist ihm aus Ungarn in die USA gefolgt, sie bekommen eine Tochter, Kati. In dieser Zeit schreibt Székely auch zwei seiner wichtigsten Bücher: «Der arme Swoboda» und «Verlockung».
Wegen des Drucks der Antikommunisten entscheidet sich Székely 1950, ein weiteres Mal zu emigrieren, diesmal nach Mexiko, wie viele andere Kulturschaffende aus den USA jener Zeit.
Dort schreibt er «Eine Nacht, die vor 700 Jahren begann». Irgendwann sind die Ersparnisse aber aufgebraucht und die Székelys gehen 1957 endgültig zurück nach Europa.
Eine letzte Station
Es ist kein Zufall, dass János Székely in die DDR nach Berlin reist. Im Filmstudio Babelsberg hat er die nötigen Kontakte, um weiterzuarbeiten.
Ein Drehbuch schreibt er noch, dann erkrankt János Székely an Krebs. Er stirbt 1958 in Ostberlin. Das Manuskript zu «Eine Nacht, die von 700 Jahren begann» gerät in Vergessenheit.
Bis Erzsi Barsony, die Witwe von Székely, in den 1970er-Jahren mit der englischen Übersetzung des Manuskripts in die USA reist, um es dort Toni Khan zu übergeben, der Kontakte zu Verlagen hat. Khan liest das Manuskript aber nie durch. So landet es auf seinem Dachstock, wo er es erst viele Jahrzehnte später wiederentdecken sollte.
Zurück ins Gedächtnis
Die Wiederentdeckung dieses Manuskripts hat nicht nur grosse Literatur zutage gebracht. Sie hat auch einen wichtigen ungarischen Autor zurück ins Gedächtnis geholt.
Die Literatur von János Székely hat immer wieder Wege gefunden, der Zensur zu entkommen. Und jetzt wurde auch dieser Roman, nach so langer Zeit in Vergessenheit, endlich veröffentlicht.