«Ich will, dass ihr in Panik geratet!» Was Greta Thunberg in ihren zahllosen Reden wiederholt, gilt auch für die am Donnerstag verstorbene deutsche Kinder- und Jugendbuchautorin Gudrun Pausewang.
Zeitgeist der Ökologiebewegung
Wie kaum eine andere Jugendbuchautorin hat sie junge Leserinnen und Leser verängstigt – und dies weit über ihre Heimat Deutschland hinaus, auch in der Schweiz. So sehr, wie Greta Thunberg wohl für immer mit der Klimaerwärmung in Verbindung gebracht wird, schlägt in Gudrun Pausewangs literarischem Werk stets der Zeitgeist der Friedens- und Ökologiebewegung der 1980er-Jahre durch.
Etwa die Atomangst, die damals weit verbreitet war. Sichtbarer Ausdruck dafür waren Kinoerfolge wie «The Day After» (1983) über die Auswirkungen eines Atomkriegs. Tatsächlich kühlte sich damals das Klima im Kalten Krieg wieder ab – nach Nato-Doppelbeschluss und dem Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan 1979.
Reaktion auf den Zeitgeist
Das bei vielen Menschen verbreitete Gefühl, der Weltfriede stehe unmittelbar auf dem Spiel, griff Gudrun Pausewang auf. Etwa mit dem Roman «Die letzten Kinder von Schewenborn» (1983) über Überlebende eines globalen Schlagabtausches mit Kernwaffen.
Im Buch «Die Wolke», das ein Jahr nach der Tschernobyl-Katastrophe 1986 erschien, schilderte die Autorin das Los eines Strahlenopfers nach einem Super-GAU. Der Roman geriet nach der Verfilmung knapp ein Jahrzehnt später zu Pausewangs auflagestärkstem Werk.
Nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima gewann es eine neue bedrückende Aktualität. Es wurde in 16 Sprachen übersetzt und mehr als 1.5 Millionen Mal verkauft.
Mehrfach preisgekrönt
Nach den «Kindern von Schewenborn» und «Die Wolke» setzte ein regelrechter Regen von Literaturpreisen ein. 2017 erhielt Gudrun Pausewang den Deutschen Jugendliteraturpreis für ihr Lebenswerk.
Rund 100 Bücher hat Gudrun Pausewang insgesamt veröffentlicht. Ihren enormen Arbeitseifer begründete sie 2013 in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur so: «Die Schriftstellerei ist kein Job, sondern Leidenschaft.»
Junge Menschen aufrütteln
Immer ging es ihr darum, vor Umweltgefahren, vor Krieg, Diktatur und vor den Auswirkungen des Elends in Schwellen- und Entwicklungsländern zu warnen. Die Autorin hatte viele Jahre ihres Lebens in Südamerika verbracht, bevor sie sich in der Kleinstadt Schlitz nordöstlich von Frankfurt am Main niederliess.
Ihre Leserinnen und Leser schonte Gudrun Pausewang nie, auch nicht aufgrund deren jugendlichen Alters. Sie schilderte all das Grauenhafte in ihren Büchern stets in trockener Sprache, frei von jeglichen Schnörkeln und Beschönigungen – und ging dabei immer auch an die Grenze des Ertragbaren.
Die Wahrheit zeigen
Dass die Welt in Kinderbüchern «heil» sein müsse, sei ein Irrglaube, pflegte Gudrun Pausewang zu sagen. Sie wolle der Leserschaft mit ihrer Literatur «nichts vormachen» – und sie dadurch «ernst» nehmen.
Das bekannte Wort Ingeborg Bachmanns, wonach «die Wahrheit dem Menschen zumutbar» sei, gehörte für Gudrun Pausewang zum Kern des Selbstverständnisses als Schriftstellerin. In einem Essay im «Spiegel» schrieb sie einmal: «Ich möchte mich nicht von meinen Enkeln und Urenkeln fragen lassen: ‹Und du? Warum hast du nichts dagegen getan?›»
Diesen Vorwurf dürfte Gudrun Pausewang wohl kaum je gehört haben. So wenig, wie ihn Greta Thunberg je hören wird.
Sendung: Radio SRF, Rendez-vous, 24.1.2020, 12:30 Uhr