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Nur über ihre Leiche
Aus Kontext vom 28.07.2019. Bild: imago images / Prod.DB
abspielen. Laufzeit 13 Minuten 8 Sekunden.

Tote Frauen in der Kunst Nur über ihre Leiche

In den Künsten tauchen seit der Antike immer wieder schöne Frauenleichen auf. Warum ist das so?

Die Serie «Twin Peaks» von David Lynch aus den 90er-Jahren beginnt mit einer Nahaufnahme der schönen Leiche Laura Palmers. Am Strand einer amerikanischen Kleinstadt entdeckt ein Fischer einen in Plastik eingewickelten Körper. Er ruft die Polizei.

Wenig später kommen zwei FBI-Agenten an den Schauplatz. Mit Schrecken identifizieren sie den Leichnam.

Sowohl an der ästhetisierten Aufnahme wie an der soap-artigen Musik wird deutlich, dass hier ein Klischee bedient wird. Denn neben «Twin Peaks» gibt es etliche Filme, die so beginnen: mit einer schönen toten Frau.

Scheinbar brauchen Thriller eine weibliche Leiche am Anfang, um die Handlung in Gang zu setzen. Warum eigentlich?

Unheilvolle Verführerin

Die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen hat der schönen, jungen Frauenleiche ein ganzes Forschungsprojekt gewidmet. «Über ihre Leiche» lautet der Titel ihrer Habilitationsschrift.

Portrt Elisabeth Bronfen
Legende: Kultur- und Literaturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen hat «Over Her Dead Body» 1992 publiziert. imago images / Horst Galuschka

Für die auffällig häufige Darstellung von toten Frauen in allen Bereichen der Kunst nennt sie zwei Gründe: Einerseits wird der Tod damit beschönigt. Indem er in Gestalt einer schönen, jungen Frau daherkommt, und nicht in Form einer alten, kranken Frau, wird der Tod erträglicher.

«Andererseits, so muss man annehmen, hat es auch etwas mit kultureller Rache zu tun», so Bronfen. Die Rache an der schönen, jungen Frau gilt kulturhistorisch Eva. Eva, die biblische Urmutter und diejenige Figur, die im Christentum mit dem Sündenfall gleichgesetzt wird.

Stich, Eva zeigt, wie sie Adam einen Apfel reicht.
Legende: Wegen ihr müssen nun die anderen Frauen büssen, sagt Elisabeth Bronfen: Eva bietet Adam den Apfel an. imago images / Leemage

Sie verkörpert die sexuelle Verführung zum Bösen, zur Sünde. Und sie ist der Bibel nach auch die, die Sterblichkeit überhaupt ins Paradies brachte.

Populär wurde das Motiv «Der Tod und das Mädchen» im Barockzeitalter. Namhafte Schriftsteller, Komponisten und Maler machten das Mädchen, das in der Blüte ihrer Jugend stirbt, zum zentralen Motiv ihrer Werke.

Männliche Märtyrer, weibliche Opfer

Natürlich gibt es gerade im Kriminal- und im Kriegsfilm auch viele männliche Leichen. Wie männliche Opfer dargestellt werden, unterscheidet sich jedoch deutlich von weiblichen Leichen. Verbreitet ist beispielsweise die Geschichte, in der ein mutiger Held auf der Suche nach dem Mörder oder korrupten Handlanger sein Leben opfert, sagt Elisabeth Bronfen.

«Das Entscheidende aber ist, dass es bei männlichen Leichen nicht darum geht, dass sie jung und schön sind, sondern darum ihre Tugenden hervorzuheben. Also der tapfere Märtyrer, der im Kampf um das Gute sein Leben gelassen hat», erklärt Bronfen.

Von Gewalt erzählen – aber richtig

Dass Frauen in vielen Erzählungen lange einfach leblos daliegen oder als Opfer dargestellt werden, hat also mit den Bildern zu tun, die seit Hunderten von Jahren in unterschiedlichen Variationen in unserem kulturellen Gedächtnis zirkulieren. Elisabeth Bronfen regt dazu an, diese Kulturgeschichte mitzudenken, damit wir diesen «Vorbildern» aus heutiger Perspektive etwas entgegenhalten können.

Wonder Woman
Legende: Nur von aktiven und selbstbewussten Frauen zu erzählen, ist auch nicht sinnvoll – denn das widerspricht der Realität. imago images / Prod.DB

Deswegen nur noch Geschichten von aktiven und selbstbewussten Frauen zu erzählen, wie letztlich im Film «Wonder Woman» versucht wurde, vor dieser Strategie warnt Bronfen jedoch. «In Anbetracht dessen, dass Frauen weiterhin Opfer sind, hat es wenig Sinn Gewalt an Frauen völlig auszublenden», erzählt sie.

Viel wichtiger sei es, die Konsequenzen dieser Gewalt darzustellen. Und den weiblichen Figuren auch mal die Möglichkeit des Zurückschlagens zu geben – bevor es zu spät ist.

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