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Ingeborg-Bachmann-Preis Tränen und Blut im «Germanisten-Porno»

Nun lesen sie wieder: die 14 Autorinnen, vor Publikum, Kameras und strengen Juroren. Sie bewerben sich so um den Ingeborg-Bachmann-Preis. Wie erging es ihren Vorgängern? Eine Rückschau.

Das Klagenfurter Wettlesen ist seit 1977 ein alljährlich wiederkehrendes sommerliches Ritual. Noch immer ist es umstritten. Es geht aber längst nicht mehr so hoch zu und her wie auch schon.

Im Gründungsjahr brachte Juror Marcel Reich-Ranicki die Autorin Karin Struck zum Heulen und zur vorzeitigen Abreise. Sein Urteil: Strucks Text sei nicht Literatur, sondern «ein Verbrechen». Und als Literaturpapst musste Reich-Ranicki natürlich noch eins draufgeben: «Wen interessiert schon, was die Frau denkt, was sie fühlt, während sie menstruiert?»

Blutige Lesung

1983 schnitt sich Rainald Götz mit einer Rasierklinge die Stirn auf, um der Lesung aus seinem Roman «Irre» blutigen Nachdruck zu verleihen. Und 1991 verliess Juror Roberto Cazzola erbost und regelwidrig den Wettbewerb. «Babyficker» des Baslers Urs Allemann war Anlass von Cazzolas Protest. Allemann bekam trotzdem einen Preis, den des Landes Kärnten.

Der Preis des Landes Kärnten wiederum wurde 2001 von Jörg Haider abgeschafft. Weil Ingeborg Bachmanns Geschwister scharf gegen die Politik Haiders protestiert hatten. Das liess sich der damalige Landeshauptmann nicht bieten.

Livestream Bachmann-Verleihung

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Die Tage der deutschsprachigen Literatur finden vom 5. bis 9. Juli in Klagenfurth statt. Hier finden sie den jeweiligen Livesream der Bachmann-Veranstaltungen sowie Videos on demand.

Autorenschlachtungen werden seltener

Seit 1997 sind den Jurorinnen und Juroren die Texte vor dem öffentlich ausgetragenen Wettbewerb bekannt. Zu «Autorenschlachtungen» kommt es also kaum noch. «Übermenschlich anstrengend» kann der Wettbewerb trotzdem sein. Meint jedenfalls die schweizerisch-deutsche Lyrikerin und Poetry Slammerin Nora Gomringer, die Bachmann-Preisträgerin 2015.

«Wie eine Operation am Herzen vor sehr vielen Leuten» erschien Nora Gomringer das Lesen und die anschliessende Diskussion ihres Texts. Dabei hatte es ihr an Anschauung nicht gemangelt. Sie hatte jeweils zusammen mit ihrer Mutter die Übertragung vom Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb im Fernsehen geschaut. Der reine «Germanisten-Porno» sei das gewesen, sagt sie augenzwinkernd.

Mut schöpfen durch den Preis

Eine Prise Humor ist sicher von Vorteil. Denn das Wettlesen ist eine harte Sache geblieben. Allerdings eine, die sich lohnt, weil sie auch jenen Türen öffnet, die leer ausgehen. Und so manche Preisgekrönte ermutigt sie erst, das Schreiben zur Lebensaufgabe zu machen. Gert Jonke, der erste Preisträger überhaupt, ist ein gutes Beispiel dafür.

Dotiert ist der Ingeborg-Bachmann-Preis mittlerweile mit 25’000 Euro. Und damit kann man doch allerhand machen. Um Erica Pedretti zu zitieren, die Preisträgerin von 1984: «Ich, beziehungsweise wir, haben damit ein Atelierfenster bezahlt und den Rest aufgegessen.»

Diesjährige Teilnehmer/innen aus der Schweiz sind Daniel Goetsch, Urs Mannhart, und Gianna Molinari.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Nachrichten, 05.07.2017, 6:01 Uhr

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