Der Angriff der japanischen Streitkräfte auf den US-amerikanischen Militärstützpunkt Pearl Harbor bei Honolulu auf Hawaii erfolgt absolut überraschend. Und das Resultat ist eine Katastrophe.
Mehr als 2'400 amerikanische Soldaten verlieren an jenem Sonntagmorgen im Kugel- und Bombenhagel der japanischen Bomber, Sturzkampfbomber, Torpedoflugzeuge und Tiefflieger ihr Leben. Weit über tausend werden verwundet.
Hinzu kommen 300 am Boden zerstörte US-Flugzeuge. Zudem verliert die amerikanische Navy nahezu die gesamt Pazifikflotte.
Das Protokoll
Der Schock sitzt tief, in den USA und weit darüber hinaus. Dies schildern die beiden britischen Historiker Brendan Simms und Charlie Laderman in ihrer faszinierenden Rekonstruktion der fünf Tage vom japanischen Überfall bis zum 11. Dezember 1941.
An jenem Tag erklärt der mit Japan verbündete Adolf Hitler den USA den Krieg. Zum Erstaunen vieler Zeitgenossen. Wie das Buch zeigt, tut dies Hitler jedoch nicht – wie später oft behauptet – aus irrationalem Grössenwahn. Hitler hat strategische Motive: Er ist überzeugt, dass es über kürzer oder länger zum Krieg mit den USA kommen würde.
Kalkül ohne Grundlage
Durch die Kriegserklärung versucht er die japanischen Bundesgenossen zu ermutigen, die militärischen Anstrengungen der USA auf sich zu ziehen und dadurch Deutschland wertvolle Zeit zu verschaffen für einen Sieg über die Sowjetunion. Danach würde sich Deutschland mit geballter Kraft gegen den Feind jenseits des Atlantiks werfen.
Aus der Rückschau wissen wir: Dieses taktische Kalkül entbehrt damals einer realen Grundlage. Tatsächlich übernehmen sich Deutschland und Japan, indem die Alliierten Grossbritannien und Sowjetunion mit den USA einen überaus schlagkräftigen Verbündeten erhalten. Der Krieg ist für die Achsenmächte ab jetzt schlicht nicht mehr zu gewinnen.
Die Sicht von damals
Simms und Laderman weisen jedoch nach, dass dies den Zeitgenossen keineswegs so klar bewusst ist. In bisher nicht dagewesener Detailtreue und unter Einbezug einer riesigen Menge an historischem Quellenmaterial schildern die beiden das Geschehen an jenen fünf Tagen im Dezember. Und wechseln dabei virtuos die Schauplätze: Washington, Tokyo, Berlin, Moskau, London.
Dabei wird deutlich, wie sehr die Mächtigen damals allenthalben überrumpelt werden. Dass sich etwa der britische Premier Winston Churchill zunächst keinerlei Reim auf die Folgen des japanischen Angriffs machen kann. Oder dass der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt lediglich ein verzweifeltes «Nein» herausbringt, als ihm ein Militär die Hiobsbotschaft überbringt.
Das Tappen im Dunkeln
Dank «Fünf Tage im Dezember» wissen wir, wie sehr sich die Entscheidungsträger damals schwertun, die Tragweite des Geschehens abzuschätzen und zu den Entscheidungen zu gelangen, die uns heute in der Rückschau als die einzig möglichen erscheinen.
So zeigt das Buch etwa, dass damals in Japan nur schon der Überfall an sich umstritten ist. Dass die Logik längst nicht in der gesamten Führungsriege geteilt wird, mit einem Schlag gegen Hawaii sei die amerikanische Militärmacht präventiv zu brechen. Und man fragt sich: Wie wäre der Krieg ausgegangen ohne den japanischen Angriff auf Pearl Harbor?
Es hätte anders kommen können
Auch ist es keineswegs zwingend, dass Franklin D. Roosevelt am 8. Dezember 1941, nur einen Tag nach dem Überfall, im Kongress jene historische Rede hält, in der er sich ohne Wenn und Aber für eine Kriegserklärung an Japan ausspricht. Und sich dabei gegen den massiven Widerstand all jener Landsleute durchsetzt, welche die USA seit jeher aus dem Krieg heraushalten wollen.
Pearl Harbor ist ein entscheidender Wendepunkt im Zweiten Weltkrieg. Das ist nichts Neues. Dank diesem Buch jedoch wissen wir: Es hätte auch anders kommen können.