Kaum zu glauben, dass einer wie Ulrich Becher vergessen wird – sowohl als Schriftsteller wie auch als Mensch. Denn Becher ist einzigartig und alles andere als unauffällig.
Geboren wird er 1910 in Berlin. Als Sohn eines preussischen Anwalts und einer Schweizer Pianistin hat er bald die besten Kontakte zu führenden Kulturkreisen der Weimarer Republik.
Er wird Meisterschüler des Karikaturisten George Grosz, über den er seinen ersten Verleger Ernst Rowohlt kennenlernt.
Flucht nach Wien
Doch Bechers hoffnungsvolles Debüt wird gleich nach der Veröffentlichung verboten und als «entartet» verfolgt. Denn jetzt sind die Nazis an der Macht. Und so wird Becher mit seinen gerade mal 23 Jahren Deutschlands jüngster verbotener Schriftsteller.
Er verlässt Deutschland und lebt fortan in Wien, Prag und Paris, wo er andere Exilanten wie Ödön von Horvat kennenlernt, den er zeitlebens verehrt. Und Becher heiratet. Seine Frau ist Dana Roda, die Tochter des Satirikers und Schriftstellers Alexander Roda Roda.
Über New York nach Basel
Nach dem Anschluss Österreichs flieht das Paar über die Schweiz und Portugal nach Brasilien, später nach New York. Dort entstehen die «New Yorker Novellen», ebenfalls ein zentrales Werk, das gerade neu erscheint. Und diverse Theaterstücke, von denen «Der Bockerer» Bechers grösster kommerzieller Erfolg wird.
1948 kehrt die Familie, zu der nun auch der Sohn Martin gehört, nach Europa zurück. Lange ist nicht klar, wohin genau es geht. Wien steht zur Debatte. Aber auch Berlin. Schliesslich wird es Basel. Wohl wird sich Becher in Basel nie fühlen. Trotzdem bleibt er 35 Jahre lang. Ein Appartementhaus wird zum ewigen Provisorium.
Neue Namen
Der Erfolg mit den Stücken hält nicht. Ende der 1950er-Jahre übernehmen andere das Ruder. Jüngere. Dem Nachkrieg verpflichtete Dramatiker wie Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt setzen sich durch. Becher verlegt sich auf den Roman und schreibt die nächsten Jahre an «Murmeljagd».
Doch als der Roman 1969 endlich erscheint, interessiert sich kaum jemand dafür. Exilliteratur ist passé. Genauso wie Bechers expressionistischer Stil. Mit der Zeit verliert er an Bedeutung. Fast wird er vergessen. Nur noch ein paar Aufrechte halten an ihm fest.
Das Comeback
Doch dann, 20 Jahre nach Bechers Tod und 100 Jahre nach seiner Geburt, wagt der Verleger Klaus Schöffling eine Neuausgabe von «Murmeljagd». Die Kritik ist begeistert. Das Publikum wird aufmerksam.
Zehn Jahre später folgt eine zweite. Diesmal ergänzt durch einen Essay der Schriftstellerin und Journalistin Eva Menasse, eine der Aufrechten.
Jetzt ist Becher wieder da. Und bekommt auch endlich den Platz, den er verdient: den als einer aus der ersten Garde der deutschsprachigen Exilliteratur. Neben Ödön von Horvat, den er zeitlebens verehrt.